Toleranz und Humanität gehören zusammen. Die einzelnen Religionen müssen hinnehmen, dass es außer ihnen auch andere gibt. Das war in Rom bis Konstantin so, erst mit ihm und dem Christentum begannen die Verfolgungen: Die ganze Welt sollte christlich sein. Also waren sie notwendigerweise Feinde der ganzen Welt, bis zu deren Bekehrung. Auch untereinander bekämpften sich die verschiedenen christlichen Varianten: „Kaum hatte Konstantin der christlichen Religion zur Macht verholfen, zerrissen sich Athanasier und Eusebier auch schon gegenseitig und seither versinkt die Kirche in Blut, bis auf unsere Zeit. Selbst die Juden („das intoleranteste und grausamste Volk des ganzen Altertums“) waren nachgiebiger, wie einige Beispiele aus der Bibel zeigen. „Wir haben es in seinen unsinnigen Gräueln nachgeahmt, jedoch nicht in seinem Großmut“. Religionshass findet man meist im Volk, wird dort geschürt; die Herrschenden nutzen ihn für ihre Zwecke aus, selbst verbünden sie sich, wenn es ihnen Vorteile bringt, mitunter mit feindlichen Religionen.
Voltaire schließt den Artikel mit diesem Rat: „Habt ihr bei euch zwei Religionen, werden sie sich die Kehle durchschneiden, habt ihr dreißig, leben sie miteinander in Frieden. Seht den Großtürken: Er regiert die Parsen, die Banianen, die griechischen Christen, die Nestorianer, die Römer. Der erste, der Unruhe stiftet, wird gepfählt und alle Welt ist friedlich“.