Johann Albrecht Philippi, (* 16.4.1721 – † 9.11.1791 in Berlin). Philippi machte sich unsterblich durch eine Petitesse: Er übersetzte als erster Voltaires Candide ins Deutsche. Er war Jurist und unter Friedrich II. mit mehreren hohen Staatsämtern betraut, u.a Polizeidirektor (1767), Geheimer Kriegsrat und von 1771 bis zu seinem Tode 1791 Stadtpräsident (Bürgermeister) von Berlin. Philippi baute nach einem Aufenthalt in Paris, dem dortigen Vorbild entsprechend, die Polizei in Preußen auf. Er versuchte, die Machtbefugnisse des Adels einzuschränken und war bei diesen nicht sonderlich beliebt. Von ihm existiert ein Kupferstich-Portrait aus der Feder Chodowieckis:
sowie eine kleine Notiz in der Bayreuther Zeitung vom 18.11.1791, die aus der Berliner Zeitung (10.11.1771) vom Ableben Philippis berichtet und der wir einige Angaben zu seinem Leben verdanken (s.u., Lebenslauf).
Johann A. Philippi als Übersetzer Candides
Die erste Übersetzung von Voltaires Candide (mehr Informationen zu Candide) lieferte Johann Albrecht Philippi bereits im Jahre 1761, zwei Jahre nach der Veröffentlichung des französischen Originals mit dem Titel:
Die beste Welt. Eine Theologische, Philosophische, Praktische Abhandlung.
aus dem Spanischen Grund-Text des Don Ranudo Maria Elisabeth Francisco Carlos Immanuel de Collibradoz, Beysitzer der heiligen Inquisition, übersetzet; und mit einer Vorrede, auch Zuschrift und Register begleitet von Johann Albrecht Ralph, der beyden Rechte Doctor und öffentlichen Lehrer zu W .., 1761
Dass diese Übersetzung von Philippi ist, war Eingeweihten sicher bekannt und ist in der großen Bibliographie Deutscher Übersetzungen aus dem Französischen (1952) von Fromm auch richtig vermerkt (Fromm 26940), jedoch mit einem falschen Titel („Candide, oder die beste Welt“) und dem Erscheinungsjahr 1751, als Candide noch gar nicht erschienen war.
Helmut Knufmann in einem erhellenden und sehr lesenswerten Artikel Das deutsche Übersetzungswesen des 18. Jahhrhunderts (1967) fand heraus:
- Der Übersetzer ist wirklich Philippi, nur erschien das Werk 1761 in Leipzig bei Hartknoch.
- Der angebliche Verfasser Ranudo ist ein Anagramm und bedeutet von hinten gelesen „O Du Narr“
- Weil Voltaire im Originaltitel behauptet, Candide sei der ins Französische übersetzte Roman eines deutschen MR. le Docteur RALPH, nutzt Philippi den Namen des angeblichen deutschen Verfassers, um sich selbst als Übersetzer dahinter zu verstecken und verleiht ihm seine eigenen Vornamen: Johann Albrecht Ralph.
Wir ergänzen (was herauszufinden nur mit Hilfe des Internets möglich war):
- Der akademischen Titel: „der beyden Rechte Doctor“, entsprachen sehr wahrscheinlich ebenfalls denen Philippis, denn er war Jurist.
- Zur Zeit der Übersetzung befand sich Philippi in österr. Kriegsgefangenschaft zu Wien. Sein „und öffentlichen Lehrer zu W ..“ wird somit den Tatsachen entsprechen.
- Es stimmt, „Ranudo“ steht für „O Du Narr“, aber der Name verweist auf ein damals ziemlich bekanntes Lustspiel Ludwig v. Holbergs aus dem Jahre 1755, mit dem Titel Don Ranudo de Colibrados oder Armut und Hoffart, von dem ihn Philippi entlieh.
- Seine Widmungsschrift „Liebwerthester Bruder“ darf durchaus ernst genommen werden und passt zur Situation des in Kriegsgefangenschaft festsitzenden Philippi.
- Das angebliche Register, das er im Titel erwähnt, stellt sich als Aphorismensammlung heraus, in der Philippi Sinnsprüche u. a. von Gellert, Horaz und seine eigenen mitteilt, die zeigen, wie stark er der Aufklärung verbunden war.
- Der in einer weiteren Ausgabe von 1762 angebundene zweite Teil ist Philippis Zutat. Er enthält so etwas wie sein Credo, sein Blick auf die Welt nach einem verheerenden siebenjährigen Krieg, an dem er beteiligt war.
- Eine weitere Ausgabe von 1773, also zur Zeit, wo Philippi bereits Bürgermeister von Berlin war – er stand also zu seiner Candide Publikation! – entspricht, soweit wir es überprüfen konnten, der von 1762 (mit dem angebundenen zweiten Teil).
Nun zur Übsetzung selbst, es war gewiss nicht die schlechteste der fast unendlichen Reihe weiterer Übertragungungen ins Deutsche. Wir verwenden auch hier unsere beiden Referenzstellen aus Candide, um Philippis Übersetzungsstil kurz vorzustellen:
1. Voltaire: Remarquez bien que les nez ont été fait pour porter des lunettes, aussi avons-nous des lunettes.
Philippi: „Merken Sie wohl! Alle Nasen wurden gemacht, Brillen zu tragen, darum haben wir Brillen.“
Der lockere Schwatzton ist sehr gut getroffen, knapp, ohne irgendeine umständliche Zutat, genau im Begriff (z.B. „haben wir Brillen“ und nicht, wie heute meist übsersetzt wird. „tragen wir Brillen“.
2. Den dritten Satz des Candide: Il avait le jugement assez droit, avec l’esprit le plus simple; c’est, je crois, pour cette raison qu’on le nommait Candide, übersetzt Philippi wiederum, ganz anders als später Mylius, sehr eng am Original, nur mit einer kleinen Ergänzung zur Wortbedeutung von Candide für seine deutschen Leser:
„Er hatte eine ziemliche Urteilungs Kraft, sein Herz war ohne Falsch und ich glaube, dass ihm disfalls [deshalb] der Nahme Candide, welcher soviel als redlich heißt, beygelegt worden“
Lebenslauf
- 16.4.1721 wird Johann Albrecht Philippi geboren
- 26.5.1742 Auditeur im Kleistschen Infanterieregiment, d.h. er fungierte als Ankläger in Kriegsgerichtssachen, eine Funktion, die Juristen vorbehalten war.
- 1753 Philippi veröffentlicht: Die wahren Mittel zur Vergrößerung eines Staates, Berlin: Haude & Spener, 1753, 185 S., das er 1759 in erweiterter Form erneut herausgibt. Eine launige Besprechung dieses Werkes findet man in: Göttingische Anzeiger von gelehrten Sachen (1760, Nr.80)
- 1759 -1763 Im Siebenjährigen Krieg geriet er in der Schlacht von Maxen in Österreichische Gefangenschaft. In dieser Zeit muss er auch den Candide übersetzt und 1761 bis zur Veröffentlichung gebracht haben.
- 1765 Philippi veröffentlicht Der vertheidigte Korn-Jude, Berlin 1765
- 1766 erscheint Philippis Übersetzung von Ange Goudar (eines französischen Abenteurers und Freundes von Casanova) Les Intérêts de la France mal entendus, dans les branches de l’agriculture, de la population, des finances, du commerce, de la marine et de l’industrie, 1759, in der Goudar gegen die Verschwendungssucht des Adels zur Sparsamkeit aufruft [dt.: Staatsfehler der mehresten Höfe (Übersetzung von Philippi), 1766], eine Rezension findet man in der Allgemeinen Bibliothek von 1768
- 1766 reist Philippi im Auftrag des Königs nach Paris, um das dortige Polizeiwesen zu studieren und nach diesem Vorbild die Polizei in Preußen aufzubauen.
- 1767 Rückkehr nach Berlin, Ernennung „zum Polizeidirector hiesiger Residenzien,.. zum Geheimen Kriegsrath und Stadpräsidenten Berlins“.
- 1769 wohnt Philippi in der Heiliggeiststrasse, einer der vornehmsten Straßen Berlins in unmittelbarer Nähe des Schlosses (Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, Nicolai 1769).
- 1771 erscheint Der vergrößerte Staat, Berlin 1771, in dem er, ganz Physiokrat, Bevölkerungsreichtum, Ausbau der Landwirtschaft, aber keine arbeitseinsparende Maschinen empfiehlt. Siehe dazu: Ergang, Carl F. H.: Untersuchungen zum Maschinenproblem in der Volkswirtschaftslehre, 1911
- Johann Albrecht Philippi stirbt in Berlin am 9.11.1791.
Quellen
- Knufmann, Helmut, Das deutsche Übersetzungswesen des 18.Jahrhunderts im Spiegel von Übersetzer- und Herausgebervorreden, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe. Nr. 91 (1967)
- MDZ, Münchner Digitalisierungs Zentrum, Digitale Bibliothek, Suchbegriff Johann Albrecht Philippi; Filter (Zeitraum) 1750-1792.