Der Autor, promovierter Philosoph, stellt die Reaktionen auf das Erdbeben vom 1.11.1755, das in Portugal erhebliche Verwüstungen anrichtete und 30.000 Menschen das Leben kostete, in den Mittelpunkt seines bibliophil ansprechend gestalteten Buches, das er bereits 2005 im Fischer Verlag, dort allerdings als einfaches Taschenbuch, veröffentlicht hatte.
Günther gibt zunächst einen guten Überblick über die verschiedenen Positionen, angefangen mit denen der Kirche, die in dem Erdbeben eine Strafe Gottes erblickte bis hin zu denen der Philosophen der Aufklärung, für die es ein willkommener Anlass war, an der Allmacht eines Gottes zu zweifeln, der zehntausende unschuldige Menschen „opferte“ und an dem Konzept von Pope und Leibniz, das Alles, so wie es ist, gut sei.
Im Anschluss daran konzentriert sich der Autor mehr und mehr auf die Voltaire – Rousseau Debatte, wobei er zwischen beiden eine Art Mittelposition einzunehmen sucht, die er dialektisch nennt. Insbesondere legt der Wert auf die Begriffsgeschichte von Optimismus und Pessimismus, eng mit Voltaires Candide verbunden, dessen Inhaltsangabe alleine erstaunliche vier Seiten des Buches füllt.
Günther beschränkt sich zu sehr auf die Ideengeschichte, was den Tiefgang des Textes deutlich einschränkt und einem neuerlichen Interesse an der Theodizee-Debatte nicht förderlich ist. Weder beschäftigt ihn, für wen die einzelnen Protagonisten sprachen, noch bezieht er die Machtverhältnisse im 18. Jahrhundert in seine Analyse ein. Sätze wie dieser: „Die Bewohner des 18. Jahrhunderts begannen, es sich in ihrer Zeit bequem zu machen.“ (7), sind von einer erschreckenden, inhaltslosen Allgemeinheit und kommen in dem Buch leider an zu vielen Stellen vor.
So kommt es, dass er auch den Streit zwischen Voltaire und Rousseau auf eine rein persönliche Ebene reduziert, die Positionen der englischen Aufklärung, von Pierre Bayle und die von Immanuel Kant bunt durcheinandermischt und sogar die Preisfrage der Berliner Akademie zur Position Popes rein unter dem Gesichtspunkt universitär- einflusspolitischen Streitereien vorstellt.
Das mag für Historiker und Philosophen vielleicht interessant sein, reicht aber nicht aus, um ein Publikum, das über diesen engen Leserkreis hinausgeht, anzusprechen. Somit muss das Buch als eine verpasste Gelegenheit angesehen werden. Einzig als Einstieg, will man sich über die einzelnen, in der im Anschluss an das Erdbeben von Lissabon in Europa anhebenden Debatte vertretenen Positionen orientieren, ist es nützlich und informativ.