In der Reihe ‚Staatsverständnisse’ herausgegeben im Nomos Verlag und mit den Artikeln zahlreicher Würdenträger (Professoren) bestückt, richtet sich das Buch möglicherweise vor allem an deren Studenten, denen man hier die „richtige“ Haltung für ihren zukünftigen Lebensweg weisen will. Soweit so klar. Den Anspruch, „in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Vernunft zu schwinden scheint, … den Gedanken des großen Aufklärers nachzuspüren“ erfüllt dieser Band in keiner Weise, eher im Gegenteil: Bis auf wenige Ausnahmen scheint es eher darum zu gehen, den großen Aufklärer in Bausch und Bogen zu verdammen.
Es wimmelt in dem Buch von Plattitüden und Fehlern, was für das Bildungsniveau an unseren Universitäten das Schlimmste befürchten lässt. Im Mittelpunkt der Aufklärung stand, so erfährt man zum Beispiel in der Einleitung der Herausgeber, „der Glaube an die Vernunft“ und (S.12): „Sehr bald herrschte eine Geschichtsphilosophie, die fremde Fragestellungen ablehnte und alle von anderer Seite gestellten Fragen als unphilosophisch, unwissenschaftlich, unmodern und geschichtlich überholt bezeichnete. In diesem Sinne war Voltaire der erste Geschichtsphilosoph“. Na herzlichen Dank auch dafür! Sätze wie diesen sollten Studenten auswendig hersagen können – sie werden dann mit Sicherheit all ihre Prüfungen bestehen!
Was die Fehler betrifft, übergehen wir die grammatikalischen, die einem nicht vorhandenen Lektor zur Last zu legen wären und fragen Herrn Prof. Campagna, welchen Rotwein er getrunken hat, oder warum er sich sonst – es geht um Friedrich II. und den von ihm und Voltaire verfassten ‚Antimachiavel’ – zu folgender Einschätzung hinreißen lässt: „Einige Jahre zuvor [also vor der Publikation des Antimachiavel] hatte derselbe Friedrich Schlesien erobert, noch bevor, wie damals üblich, der Krieg offiziell erklärt worden war.“ Den Antimachiavel schrieb Friedrich aber sicher vor seiner Thronbesteigung 1740, der Schlesische Krieg begann aber danach, die Eroberung kann folglich nicht ‚einige Jahre zuvor’, sondern erst einige Jahre nach der Erstveröffentlichung des Antimachiavel‘ stattgefunden haben; eine Tatsache, die in dem Artikel von Prof. Rüdiger Voigt im selben Band (!) auch vollkommen richtig dargestellt wird, ohne allerdings das grundlegende Werk zu diesem Thema von Kees van Strien (Voltaire in Holland, 2011) auch nur zu erwähnen.
Wir überlassen es dem Leser, der 44 € übrig hat, sich in diesem Buch von Artikel zu Artikel immerfort zu ärgern, mit Ausnahme des Artikels von Laurence Weyer über Zaïre, die ihr Plädoyer für das Stück besser an anderer Stelle publiziert hätte, als hier für ein durch und durch antiaufklärerisches und Voltaire feindlich gesinntes Pamphlet als Feigenblatt zu dienen.