Dass Voltaire wohlhabend, ja reich war, wissen viele. Woher er seinen Reichtum hatte, weiß – zumindest in Deutschland – fast niemand. Zwar gibt es dazu Fachliteratur*, aber wer liest schon Fachliteratur – und dazu noch auf Französisch! Diesen weißen Fleck zu schließen, ist die Idee hinter „Die Akte Voltaire“, einer ‚Abenteuergeschichte‘ von Matthias Wulfmeyer, die Ende 2020 erschienen ist. Die Geschichte geht so: Voltaire kommt 1729 von England aus der Verbannung genau in dem Jahr zurück, in dem der französische Staat in einer miserablen Finanzlage ist und zur Aufbesserung der Staatskasse eine große Lotterie ausruft.
Wulfmeyer enführt den Leser in die Welt des 18. Jahrhunderts; Geheimpolizei lauert an jeder Ecke und ergreift unliebsame Oppositionelle ohne großes Federlesen. Voltaire ist ein unliebsamer Oppositioneller. Also lebt er gefährlich. Aber gemeinsam mit seinem Freund La Condamine gelingt es ihm trotzdem, die Staatslotterie des Finanzministers Le Pelletier zu knacken. Mit diesem Gewinn (man schätzt ihn auf ca. 75 Mio. € heutiger Zeit) legt Voltaire den Grundstock für seine zukünftige Unabhängigkeit, er musste nie mehr – anders als viele seiner Zeitgenossen – vor Klerus und Adligen kriechen. Wulfmeyer hat die Geschichte mit offensichtlich großem Vergnügen am Fabulieren, am phantasiereichen Ausschmücken geschrieben. Dabei entfernt sich seine Erzählung nie zu weit von der Frage, wie der Plan, mit dem Voltaire und seine Mitstreiter die Lotterie kaperten, aussah. Man liest die Akte Voltaire mit Gewinn, nicht nur, weil man versteht, wie das damals wahrscheinlich vonstatten ging, sondern, weil es einfach Spaß macht, beim Lesen der Erzählung an der Seite Voltaires die Monarchie um einiges Geld zu erleichtern. Es sind „kleine Fluchten“ wie diese des Autors Matthias Wulfmeyer, die uns die Aufklärung und ihre Protagonisten näherbringen als es die allermeisten Detailstudien fachlich bewanderter Romanisten je erreichen werden
*insbesondere: Jacques Donvez, De quoi vivait Voltaire, Éditions des Deux Rives, 1949.