Die Taufe steht in der Reihe der sieben Sakramente am Anfang, soll sie doch die Tür zur Aufnahme in die christliche Gemeinde darstellen. Nicht erstaunlich, dass Voltaire sich diesem Thema widmete. Er war schon zu seiner Zeit im englischen Exil (1726-1728) in Kontakt mit Mitgliedern der Londoner Quäkergemeinde gekommen und berichtet über deren Ablehnung der Taufe, da sie ja Christen und keine Juden seien, im ersten seiner Englischen Briefe („Mein lieber Herr, sagte ich, sind Sie getauft?“)
Dass es sieben Sakramente gibt (Taufe, Firmung, Abendmahl, Buße, Krankensalbung, Weihe und Ehe), ist seit dem 16. Jhdt., dem Konzil von Trient in der katholischen Glaubenslehre fest eingemeisselt. Die Taufe ist nicht nur eine Aufnahme, durch sie soll auch die Erbschuld getilgt werden, die Adam durch sein Apfelessen auf die ganze menschliche Gattung geladen hat.
Die Aufnahme von Kindern in die Religionsgemeinschaft, bevor diese überhaupt selbständig denken können, war der Aufklärung ein Gräuel und wurde – wie andere Initiationsriten auch – eher als ein Gewaltakt denn als eine Gnade aufgefasst. Das Konstrukt der Erbschuld/Erbsünde wurde als Instrument der katholischen Kirche gesehen, mit der die Infame versuchte, ihren Schäflein irrationale Angst und Schuldgefühle einzuflößen, so etwa ironisch Rousseau (Mémoire à M. de Mably): „[Die Erbsünde] für die wir sehr gerecht für Fehler bestraft werden, die wir nie begangen haben“ und ablehnend (Lettre à Christophe de Beaumont): „Das Grundprinzip aller Moral […] ist, dass der Mensch ein von Natur aus gutes Wesen ist; dass es keine ursprüngliche Perversität im menschlichen Herzen gibt“. In der Ausgabe des Philosophischen Wörterbuchs von 1767 fügte Voltaire einen extra Artikel zur Erbsünde („péché originel“) hinzu. Darin beschreibt er die Eiertänze der christlichen Kirchen bei der Einführung und Begründung ihrer Erbsündenerzählung. Er hütete sich, diese zu kritisch zu bewerten und beschränkte sich darauf, wie bei dem vorliegenden Artikel Baptême auch, das groteske Wirrwarr von sich widersprechenden Regeln, in das sich die christlichen Theologen verwickelten und verwickeln, darzustellen.
Die folgenden Kommentare zu einzelnen Textstellen beziehen sich mit ihren Seitenangaben auf die von uns bei Reclam herausgegebene Ausgabe des Philosophischen Taschenwörterbuchs (2020):
Anmerkung 1 (Seite 690 „Johannes taufte im Jordan“.): Johannes der Täufer predigte die „Taufe aus Reue“ zur Vergebung der Sünden und tauft im Jordan (Markus, I, 4-5, ebenso Matthäus III, 6; Lukas III, 3). Er taufte Jesus (Matthäus III, 13-15; Markus, I, 9; Lukas III, 21). Ohne jemals selbst zu taufen, empfiehlt Jesus seinen Jüngern, „im Namen des Vater, des Sohnes und des heiligen Geistes“ zu taufen (Matthäus XXVIII, 19; Markus, XVI, 15-16).
Anmerkung 2 (S. 61, 2,Absatz, Kaiser Konstantin, den Taufe von allem reinigte): Kontantin war der Mörder seines Schwiegervaters Maximinian, seines Schwiegersohnes Licinius, seines ältesten Sohnes Cris-pus, seiner Frau Fausta.
Anmerkung 3 (S61, „Man befragte den heiligen Cyprian“): Thascius Caecilius C., Rhetor in Karthago, wurde 246 Christ, 248 Bischof. Während der Verfolgung durch Decius 250 leitete er die Gemeinde von einem Versteck aus. Er starb 258 unter Valerianus I. den Märtyrertod.
Anmerkung 4 (S. 62 Mitte: „Waren jene, die in der ersten Woche starben, verdammt“):Dies bezieht sich auf Augustinus, der die ungetauften Kinder wegen der Erbsünde in die Hölle kommen ließ (Briefe, 215).
Anmerkung 5 (S. 62 Mitte, der Limbus, eine Art Vorhölle): 2005 entschied eine vatikanische Kommission, dass die Seelen nicht getaufter, gestorbener kleiner Kinder doch direkt in das Paradies kommen.