Voltaire in Lausanne
Lausanne zählte 9000 Einwohner, als Voltaire 1755 hierher kam. Er miete ein Haus - 2 km unterhalb von der links im Stadtmodell noch zu sehenden Kirche, also außerhalb der Stadtmauer gelegen.
Lausanne stand irgendwie immer in Opposition: zur großen Stadt Genf und natürlich zur bis 1798 dauernden Herrschaft der Stadt Bern, die hier seit 1536 (Einführung der Reformation und Entmachtung der Kirche) das Sagen hatte. Das förderte Kultur und Geistesleben, weshalb Lausanne auch einige Jahre, mehr als Genf, Voltaires 'Lieblingsstadt' war. Hier fand er viele Bewunderer und Freunde der Aufklärung und viele von Ihnen teilten seine Leidenschaft: das Theater.
Noch heute wird sein Andenken in Lausanne bewahrt. Schon in der Liste mit den berühmten Besuchern der Stadt im offiziellen Stadtführer steht sein Name ganz oben und an den Plätzen und Strassen seines Lebens und Wirkens - ganz anders als zum Beispiel in Potsdam oder Berlin - ist in Lausanne immer ein Hinweis auf Voltaire zu finden.
Voltaire in Lausanne: Mon Repos
Aus Sicherheitsgründen baute sich Voltaire in Lausanne neben Genf einen zweiten Standort auf. Lausanne war damals nicht selbständig, die Stadt gehörte zum Herrschaftsgebiet des deutschsprachigen Bern, was im Notfall vorteilhaft sein konnte.
Außerdem war Lausanne damals eine ausgesprochene Hochburg der Aufklärung. Die eigene Wohnung in dieser Stadt sollte die Position Voltaires in seiner neuen Heimat, wo er ein geduldeter Fremder war, stärken. Was Voltaire aber in Lausanne nach seiner kräftezehrenden Irrfahrt auf der Flucht aus Berlin jetzt vor allem suchte, war Ruhe und Entspannung, un peu de repos.
1755
Voltaire mietet das Haus Grand Montriond.
Das Landhaus lag außerhalb der Stadtmauer am Fusse der Stadt, auf halbem Weg zum Genfer See (Lac Leman), mit herrlichem Blick auf See und Alpen, inmitten von Feldern und Weinbergen. Voltaire beschreibt das Haus als stattliches Anwesen von 40 m Breite mit 2 Seitenflügeln. Das Haus gehört einem Bankier namens Le Giez, mit dem er sich anfreundet. Voltaire beabsichtigt, hier jeweils den Winter zu verbringen, was am milderen Klima und am Theater liegt, denn es gibt in Lausanne - anders als im erzcalvinistischen Genf - einen Theatersaal und Freunde, die mit ihm seine Stücke einstudieren, die sie dann vor den interessierten Bürgern aufführen.
An der Stelle des früheren Grand Montriond befindet sich heute ein Mietshaus. Die Architektur mit einem Haupthaus und zwei Seitenflügel um einen großen Innenhof herum mag sich erhalten haben.
Er schreibt am 16. Dezember 1755 an seine Nichte Mme de Fontaine:
Ich unterziehe mich derzeit einer Behandlung durch Ruhe, aber ich befürchte, dass mir das nichts bringt und ich gezwungen sein werde, sie abzubrechen. Mme Denis wirft sich derzeit ins Getümmel, um unseren Ruhesitz Monrion einzurichten. Heute war praktisch ganz Lausanne bei uns. Ich hoffe die nächsten Tage etwas mehr Zeit für mich zu haben, denn ich bin ja nicht hierhergekommen, um Leute zu treffen.
Doch Lausanne will ihn treffen: Ein Zeitgenosse berichtet:
Ich habe endlich den Gott Voltaire getroffen, dessen Heiligkeit wenigstens über die Hälfte der Lausanner gekommen ist....der Stadtvogt Tscharner hat ihn mit dem ganzen Schloss besucht, Mme. Denis, eine sympathische Frau, geht mit Mme Tscharner schon so vertraut um wie mit einer Busenfreundin".
Also nichts mit Ruhe! Voltaire fügt sich und tut das, was er am liebsten tut: er veranstaltet Theaterabende. Doch die Freude bleibt nicht ungetrübt, Voltaire hat Feinde, meist Parteigänger der Kirche, aber auch Gelehrte, wie von Haller. Sie werfen ihm unchristliche Passagen seines Versepos Das Erdbeben von Lissabon vor, das er als Reaktion auf die schwere Katastrophe vom 1. November 1755 (zehntausende von Toten) geschrieben hat.
Dabei geht es natürlich um die Frage, wie ein guter Gott solches zulassen könnte, würde er existieren.
Voltaire ändert einige Formulierungen, hält mit seinen Anhängern dagegen - und kann die Angreifer mit ziemlicher Mühe zurückdrängen.
1756 - 1757 Erste Voltaire-Theatersaison in Villa Monrepos
In Paris hat man aus der Hinrichtung des Attentäters Damiens ein grausames Theater gemacht, in Lausanne studiert man die Werke der Toleranz, Zaire und Zulime, ein und zeigt sie allabendlich, zusammen mit der komischen Oper La Serva Padrone im Theater Monrepos. Das Theater gehört dem mit Voltaire verbundenen Marquis de Langallerie (1710 - 1773). Es bietet immerhin 200 Personen Platz und ist immer ausverkauft ist. Der Weg zurück nach Montriond ist beschwerlich, trotzdem wandeln Voltaire und seine Theatertruppe nach der Vorstellung auf schmalen, vereisten Pfaden den Hang hinunter - die festlichen Gelage im Hause Voltaire will sich niemand entgehen lassen.
1758
Voltaire mietet ein Haus innerhalb der Stadt. Es liegt ziemlich exponiert am steilen Abhang etwas oberhalb der Stadtmauern, mit einem imposanten Blick auf den See. So muss die ganze Theatergesellschaft zu Voltaire nicht mehr zwei Kilometer den Berg hinunterklettern. Die Stelle des Maison du Grand Chène nimmt heute das Lausanne Palace ein, ein mondänes 5 Sternehotel unter amerikanischer Leitung. Am 21/22. August 1758 ist Voltaire noch einmal in Lausanne, um mit der Gräfin von Bentinck zusammenzutreffen, die sich hier als Gast Voltaires einige Zeit in Montriond aufhält. Damit endet Voltaires Zeit in Lausanne - er verkauft sein Haus in Genf und erwirbt die Grafschaft Tournay und das Schloss Ferney, denen er von da an seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit widmet.
Werke Voltaires - in Lausanne entstanden
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L'Orphelin de la Chine, Paris: Lambert 1755, trotz eines verhängten Theaterverbots der Genfer Behörden führt Voltaire das Stück in Les Délices auf.
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Essai sur les moeurs Genève: Cramer 1756, in seiner Universalgeschichte kritisiert Voltaire Calvin wegen der barbarischen Ermordung Servers. Die Genfer Theologen blasen daraufhin zum Angriff gegen den, wie sie finden, undankbaren Voltaire.
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Poème sur la loi naturelle (begonnen in Potsdam 1752) dies ist ein Lehrgedicht, gegen den Materialismus, wie ihn La Mettrie vertritt (Der Mensch als Maschine), für den es keine an- oder eingeborenen, also universellen ethischen Grundprinzipien (wie etwa Gerechtigkeit oder Mitleid) geben kann.
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Poème sur le désastre de Lisbonne 1756, auch in diesem Gedicht entdeckten die Calvinisten in Lausanne und Genf viel Störendes, denn Voltaire äußert Zweifel an ihrem eingreifenden Gott und an der für Calvinisten wichtigen Vorsehung.
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mehrere Artikel für die Enzyklopädie Diderots, der im Voltaire zugeschriebenen Artikel Genf das Theaterverbot kritisiert, was Voltaire sehr viel Ärger und die endgültige Gegnerschaft Rousseaus eingebracht hat.
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Gesänge für La Pucelle, 1755 bei Louvain in Paris erschienen, ein Stück, das die Genfer am allermeisten erboste und die Lage für Voltaire in Genf bedrohlich werden ließ.
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L'Histoire de la guerre de 1755, Paris: Le Prieur 1756 über den Verlauf des siebenjährigen Krieges
und an anderen Werken, die wir auf der Seite zu Genf aufgelistet haben.
Ein Besuch in Lausanne (2010)
Noch heute wird Voltaires Andenken in Lausanne wie in kaum einer zweiten Stadt bewahrt. Schon in der Liste mit den berühmten Besuchern der Stadt im offiziellen Stadtführer steht sein Name ganz oben und an den Plätzen und Strassen seines Lebens und Wirkens - ganz anders als zum Beispiel in Potsdam oder Berlin - ist in Lausanne immer ein Hinweis auf Voltaire zu finden.
Lausanne beherbergt und pflegt im übrigen einen der authentischsten Voltaire-Orte, es ist der Park Mon Repos (Avenue de Mon-Repos, Bushaltestelle direkt davor) mit seiner schönen Villa, der Stätte vieler Theateraufführungen unter Voltaires persönlicher Leitung. Heute beherbergt sie das Bundesgericht von Lausanne. Dort ist folgende Erinnerungstafel angebracht:
Übersetzung: Dieses Gebäude gehörte früher dem Marquis de Langallerie.
Voltaire hat hier Theaterstücke spielen lassen. Der berühmte französische Schriftsteller hielt sich zwischen 1755 und 1759 mehrere Male in Lausanne auf. Er trat selbst auf, um eine Rolle in Zaire* zu übernehmen
*die Rolle des Lusignan
Besucht man bei schönem Wetter ganz in der Nähe das kleine Parkcafé, liegen für die Gäste zum Lesen einige Bücher aus, ganz oben aber liegt das Buch von René Pomeau über Voltaire in Ferney (Voltaire chez lui)- von welcher anderen Stadt, Ferney einmal ausgenommen, wäre dies zu berichten?