Den Haag

Voltaire in Den Haag

Den Haag war im 18. Jahrhundert, was es noch in unserer Zeit ist: eine Verwaltungs- und Diplomatenstadt, ein Zentrum für Leute, die, wohlsituiert, Empfänge, Konzerte, Kunst und gutes, teures Essen lieben. Die Stadt ist seit 1648 Regierungssitz der Niederlande und aufgrund ihrer Lage direkt am Meer ein begehrter Wohnort, heute durch den Zuzug zahlreicher Immigranten mit 'Problemvierteln' behaftet. Als Besucher merkt man das daran, daß es in den populären Gegenden quirliger, bunter, lebendiger zugeht - mit Basaren und Märkten und Menschen aller Hautfarben.

Für Voltaire war 'La Haye', wie den Haag auf französisch heißt, die Stätte seiner ersten Liebe und die Stadt, in der seine erste Zusammenarbeit mit Friedrich II. scheiterte, für den er den Anti-Machiavell redigieren und herausgeben wollte, ein Werk, das Friedrich nach seiner Thronbesteigung am liebsten einstampfen lassen wollte.

Den Haag (La Haye) Voltaire als Diplomat

1713 

Voltaire kommt als Privatsekretär des französischen Botschafters nach Den Haag. Er verliebt sich in Olympe Dunoyer, genannt 'Pimpette', deren Mutter eine Zeitschrift 'La Quintessence' herausgibt, in der sie Ludwig XIV. wegen seiner repressiven Religionspolitik angreift. Die Zeitschrift wird in den Kreisen der hugenottischen Flüchtlinge gelesen. Voltaires Briefe an Pimpette werden später in dieser Zeitschrift ebenfalls veröffentlicht - jedenfalls unternimmt Madame Dunoyer im Jahr 1713 alles, um die Liaison ihrer Tochter mit einem dichtenden Jüngling ungewisser Zukunft zu unterbinden. Sie beschwert sich beim Botschafter über dessen 'Privatsekretär' und Voltaire wird am 18. Dezember nach Paris zurückgeschickt, wo er am 24. ankommt. 

Die französische Botschaft in Den Haag heute, nicht gerade ein Prachtstück

 

 

 

 

 
 
1722 

22 September(?) Ankunft aus Brüssel mit Madame de Rupelmonde, die beiden bleiben 3 Wochen in den Haag, mit kleinen Abstechern nach Amsterdam. Voltaire sucht einen Drucker für sein Epos 'die Henriade',  für die er in Frankreich keine Druckerlaubnis erhalten hat und auch nicht erhoffen darf. Man wirft ihm vor, er habe die Königin von England zu positiv dargestellt. Deshalb beauftragt Voltaire jetzt den holländischen Verleger Le Viers, das Buch in einer sehr aufwendigen, mit zahlreichen Kupferstichen versehenen Ausgabe zu drucken. Die Subskription schlägt jedoch fehl, das Projekt muss aufgegeben werden. Trotzdem gefällt es Voltaire in Holland sehr gut, er bezeichnet es - im Vergleich mit Frankreich, als 'Paradies auf Erden' und lobt vor allem die bürgerlichen Tugenden und die Religionsfreiheit des Landes ( Brief an Mme de Bernières), er ist rundum glücklich.
Erst Ende Oktober fährt er nach Paris zurück.

 
1740 

20. Juli Anreise aus Brüssel. Voltaire wohnt im Oude Hof Palais, damals preußischer Besitz, heute Sitz des niederländischen Königshauses. Er hat von Friedrich II den Auftrag, die Auslieferung des 'Anti-Machiavell' zu verhindern. 
Friedrich steht nicht mehr zu seinen im Anti-Machivell geäußerten Ansichten - nachdem er am 6. Juni König von Preußen geworden ist. Voltaire versucht die Auslieferung durch umfangreiche Korrekturen zu verzögern. doch der Verleger van Düren besteht auf seinem Vertrag und der 'Anti Macchiavell', von Voltaire verbessert (was Friedrich allerdings gar nicht findet), wird .gedruckt und ausgeliefert. 3. August reist Voltaire wieder nach Brüssel, um dort Friedrich zu treffen.

 
Der 'Alte Hof', ein Königspalast, repräsentativ, wie er sein soll! So beschreibt ihn Voltaire: 

"Die Fassade des Gebäudes liegt im Hintergrund eines ungefähr quadratischen Hofes dessen beiden Längsseiten rechts und links von zwei Galerien begrenzt sind, die auf hohen Arkadengängen, die ungefähr das Niveau der umliegenden Häuser erreichen, liegen. Von einer Galerie zur anderen führt eine Eisenballustrade die den Passanten volle Sicht auf dieses schöne Anwesen gewährt. Hinter dem Gebäude befinden sich weite Gärten, die noch nicht all zu lange der Öffentlichkeit zugänglich sind. Heute dient dieses große Anwesen das so oft schon gekrönte Häupter beherbergt hat, den Ministern seiner preussischen Majestät, dem es jetzt gehört, zur Unterkunft."

 
 
16. September Voltaire arbeitet nach dem Kurzbesuch in Moyland an einer zweiten, verbesserten Ausgabe des 'Anti-Machiavell', er bezieht wieder sein Appartement im Alten Palais beim preussischen Botschafter von Raesfeld. Er schreibt über sein Domizil, den offenbar vernachlässigten Alten Hof in gereimten Versen (Brief an Friedrich vom 7.10.1740):

Ihr Palais in den Haag ist ein Sinnbild menschlicher Größe: Auf morschen Böden unter zerfallenden Dächern liegen Appartments, die unseres Herren würdig sind...hier gibt es Bücher, die seit fünfzig Jahren einzig von Ratten gelesen wurden und unter den größten Spinnweben Europas verdeckt sind, aus Furcht, daß sich Normalsterbliche ihnen nähern könnten. Wenn die Hausgeister dieses Palais sprechen könnten, so würden sie ohne Zweifel sagen: Kann es ein, daß dieser König, den ale Welt bewundert,uns für ewig aufgibt und er sein Palais so sehr vernachlässigt, während er sein Reich wieder aufbaut? "

Friedrich nutzt die Gelegenheit, um Voltaire zu einer Reise nach Preußen zu bewegen. Voltaire willigt schließlich ein und verlässt Den Haag am 6. November, um Friedrich in Berlin zutreffen. 

 
1743 

20. Juni Anreise aus Brüssel. Voltaire wohnt erneut im Oude Hof, wo jetzt der preußische Botschafter Podewils residiert. Am 22. August verlässt er Den Haag in Richtung Berlin

 22. Oktober Anreise aus Bückeburg. Voltaire hält sich mehrere Tage in Den Haag auf und reist erst Anfang November nach Brüssel weiter.

Werke - in Den Haag entstanden

- L'Antimachiavel ou Essai de critique sur le Prince de Machiavel, publié par M. de Voltaire, den Haag:Paupie 1740, XIV, 191 p.
von Friedrich vor seiner Thronbesteigung als eine Art Bekenntnis zur Staatsführung imSinne der Aufklärung verfasst, war ihm nach dem 31. Juni 1740 nicht mehr opportun. Voltaire hat sich sehr viel von dem Werk versprochen, soll dann aber im Auftrag Friedrichs den Verleger van Düren in Den Haag überzeugen, von einer Veröffentlichung abzusehen. Es kam anders: erstens wollte van Düren das Buch veröffentlichen und zweitens veränderte Voltaire den Text so stark, daß man das dann 1743 herausgegeben Buch eher als einen Text Voltaires und nicht Friedrichs ansehen darf - eine Position, der Friedrich nicht widersprechen würde - ...mehr zur turbulenten Editionsgeschichte.

- Le Fanatisme ou Mahomet le prophète, Tragédie en cinq actes , 1739 konzipiert, aber 1740, zum großen Teil während des Aufenthalts in den Haag, geschrieben. Erstaufführung 1741 in Lille, veröffentlicht 1742. ...mehr zu Mahomet