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Von Rainer Neuhaus, Voltaire-Stiftung
Nach dem Ende der Sowjetunion hofften viele, dass jetzt die Zeit des ewigen Friedens gekommen sei. Einige wenige vermuteten, dass wahrscheinlich das Gegenteil eintreten werde und meinten, dass mit dem Untergang des friedenssichernden Gleichgewichts des Schreckens im Kalten Krieg die Menschheit vor dem Schrecken einer unbegrenzten Machtentfaltung der siegreichen Partei stehe, die alle ihr noch im Wege stehenden Grenzen niederreißen könnte. Es scheint, dass diese Wenigen die spätere Entwicklung besser vorhergesehen haben.
Waren also alle Überlegungen, die man in der Vergangenheit, vor allem aber im Zeitalter der Aufklärung, über das Ausbrechen und zur Verhinderung von Kriegen angestellt hat, nichts als Illusionen? Gleichen Kriege etwa Epidemien, deren Ende man abzuwarten hat, weil es Heilmittel für sie nicht gibt?
Oder lassen sie sich eben doch vermeiden, wenn man von den Gründen für diese Geißel der Menschheit weiß?
Sehen wir, ob sich aus der Diskussion über Krieg und Frieden, die vor über 500 Jahren in der Renaissance mit Erasmus von Rotterdam begann und bis heute andauert, dafür Hinweise, gar Erkenntnisse gewinnen lassen:
Welche Ursachen haben unsere Vordenker für das Entstehen von Kriegen identifiziert (1) und welche Mittel, welche Maßnahmen empfehlen sie, um dieser Geißel der Menschheit beizukommen und vielleicht sogar um einen ewigen Frieden herzustellen? (2)
1. Von den Ursachen der Kriege
Wer Aufklärung und Wissenschaft gering schätzt, hält Kriege für unabänderlich, weshalb es sinnlos sei, Ursachen zu suchen; allenfalls ließe sich ihr Verlauf beschreiben. In solchen Sichtweisen entspringen Kriege entweder Gottes unerfindlichem Willen, oder, was auf das gleiche hinausläuft, sie gehören unabänderlich zur Natur des Menschengeschlechts. So wie Regen und Sonnenschein sich naturgemäß abwechseln, folge auf Frieden Krieg und auf Krieg, was man Frieden nennt.
In der Renaissance gab man sich mit diesen religiösen Deutungsmustern nicht mehr zufrieden. Zu auffällig war, dass Kriege von Machthabern angezettelt wurden, die das Niedermetzeln und die Verarmung ihres eigenen und erst recht des besiegten Volkes in Kauf nahmen und darüber hinaus den Krieg auch noch mit einem Kult des ritterlichen Helden ideologisch verbrämten. Erstmals wurde der Krieg in allen seinen grausamen Einzelheiten literarisch vorgeführt (Rabelais, Gargantua et Pantagruel, 1532), der Ritterkult lächerlich gemacht und in der bildenden Kunst angeprangert (Jaques Callot, Les Misères et les Malheurs de la guerre 1633 ). Es waren weltliche Ursachen und weltliche Täter mit sehr egoistischen Machtinteressen, die verhinderten, dass in der Welt Frieden einkehrt.
Für Erasmus von Rotterdam (1466–1536) war der Frieden das höchste gesellschaftliche und menschliche Gut (Querela Pacis, Die Klage des Friedens, 1517). In seiner Schrift Dulce Bellum Inexpertis von 1515 verurteilt er die Propaganda der Herrscher, die den Krieg als ehrenhaft und notwendig darstellen („Der Krieg ist süß für die, die ihn nie erfahren haben“) und betont die menschlichen und moralischen Kosten, die durch Kriege entstehen.
Mit Hobbes (1588-1679) kam es zu einer von religiösen Deutungsmustern vollkommen befreiten Sicht der Dinge, wobei er von der These ausgeht, dass im Naturzustand (also wenn Menschen ohne staatliche Organisation zusammenleben) Kriege der Normalfall sind. Unter dem Eindruck der Bürgerkriege in England sieht er in einer schwächelnden Zentralgewalt und in deren mangelnden Legitimität die Ursache für das Ausbrechen von Bürgerkriegen, folglich plädiert er für einen starken Staat mit autokratischer Machtausübung.
Die englischen Quäkern, insbesondere William Penn (1644-1718), verurteilten Kriege zwischen Staaten deutlich und glaubten an die Möglichkeit, dauerhaften Frieden herzustellen. Kriege sind äußerst schädlich für die bürgerliche Ordnung, weil dabei Eigentumswerte vernichtet werden und jegliche Moral zugrunde geht. Erst wenn der Frieden gesichert ist, kann die bürgerliche Gesellschaft gedeihen. Weniger an Hobbes, sondern an die Position der Renaissance schlossen die Philosophen der Aufklärung an: würden die Machthaber vernünftigen Grundsätzen folgen, käme es nicht zu Kriegen. Krieg sind der klare Ausdruck dafür, dass es nicht gelungen ist, das menschliche Zusammenleben nach vernünftigen Grundsätzen zu regeln.
Dass in der Vergangenheit immer wieder Kriege ausbrachen, so sah es der heute fast vergessene Abbé de Saint-Pierre (1658 – 1743), lag daran, dass Frieden sichernde Modelle nicht ausgearbeitet waren und dass andererseits der Macht der Herrscher keine Schranken gesetzt wurden.
„Man greift zu den Waffen, um sich Macht, Reichtümer oder Ansehen zu erringen“ sagt auch Rousseau (Fragment über den Krieg). Er ist außerdem davon überzeugt, dass die bloße Existenz von stehenden Heeren eine wichtige Ursache von Kriegen ist, da sie zwangsläufig zum Kriegführen verleiten.
Darüber hinaus – und diese Position ist ebenfalls eng mit Rousseau verbunden, birgt gerade ein System mit starker Zentralgewalt, wie es Hobbes vorschlägt, die Gefahr, dass es zu großer Ungleichheit im Inneren einer (staatlich konstituierten) Gesellschaft kommt, was der herrschenden Schicht viele Mittel in die Hand gibt, um mit Kriegen ihren Machtbereich zu erweitern: „Wer nichts hat, begehrt wenig, … wer viel hat, will alles haben; und der Wahnwitz einer Weltherrschaft hat stets nur die Herzen großer Könige heimgesucht“ (S. 62).
Außerdem kritisiert Rousseau die Gewaltbereitschaft der einzelnen Menschen – er hält sie, anders als Hobbes, nicht für naturgegeben, sondern für eine Folge gesellschaftlicher Missstände – sieht sie als Grund dafür an, dass es immer wieder zu Konflikten kommt, die man durch Gewalt für sich entscheiden will und dafür, dass man so viele Menschen für die Kriege in großem Maßstab begeistern kann.
Voltaire, in dem Artikel Guerre – Krieg des Philosophischen Wörterbuchs, beschreibt eindrücklich die schrecklichen Folgen von Kriegen. Die Ursachen sieht er in der Gewaltbereitschaft und Willkür der Herrscher, gepaart mit seiner Verherrlichung (Heldenkult) und ideologischen Rechtfertigung durch die christliche Kirche.
Im Wesentlichen sind es also vier Ursachen, die in der Debatte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts für das Ausbrechen von Kriegen genannt wurden:
- Die übergroße Machtfülle an der Spitze der Gesellschaft
- Unverantwortliches, nicht am Allgemeinen Wohl interessiertes Verhalten der Herrscher
- Die Gewaltbereitschaft der einzelnen Menschen
- Die ideologische Verherrlichung des Kriegführens
2. Die Heilmittel gegen das Kriegführen
Wenn Kriege, wie es die Kirche predigt, ähnlich den Krankheiten, von Gott geschickte Strafen für die sündhafte Menschheit sind, braucht man über Heilmittel nicht nachzudenken. Frieden und Erlösung treten eher mit dem Tod ein, als dass sie zu Lebzeiten auch nur ein erstrebenswertes Ziel wären. Viel mehr als mit dem Frieden beschäftigten sich die Heiligen der Kirche daher mit der Frage, wie man Kriege rechtfertigen könnte. So betrieb Augustinus (in Civitas Dei) einige Hirnakrobatik, um zu beweisen, dass es einen „gerechten Krieg“ gebe. An keiner Stelle seiner Schriften findet man eine prinzipielle Ablehnung des Krieges, oder auch nur eine klar formulierte Abscheu vor den sich dabei ereignenden Greueln. Er fragt, „was denn am Krieg so schädlich und verderblich sei“. Und findet: „Die Antwort ergibt sich leicht: offenbar die Gegnerschaft und der Widerstreit der Dinge untereinander“ (19. Buch 28, Übers. Ottmar Strüber). An einer anderen Stelle (Contra Faustum) bringt er seine Haltung so auf den Punkt: „Was ist denn so falsch am Krieg? Dass Menschen sterben, die ohnehin irgendwann sterben werden, damit jene, die überleben, Frieden finden? Ein Feigling mag darüber jammern, aber gläubige Menschen nicht.“
Diese Position ist eine Haltung zum Krieg und nicht zum Frieden.
Alles andere wäre auch erstaunlich, wurden doch zahlreiche Kriege von der Kirche mit Eifer angeheizt oder darüber hinaus, wie die Kreuzzüge, selbst organisiert. Auch an die Rechtfertigung der Gemetzel und Versklavung der kolonisierten Gebiete sei erinnert, in denen die christliche Kirchen den Ungläubigen weder das Recht auf ein Leben in Frieden, noch überhaupt das Recht zu leben zugestanden. Solche „Vorläufer“ der Friedensphilosophen waren keine; sie waren die Krankheit selbst, zu deren Heilung die Mittel erst noch gefunden werden mussten.
Erst in der Zeit der Renaissance und des Humanismus kritisierte man den Krieg und machte sich Gedanken über die Heilmittel, mit denen das Ausbrechen dieser Krankheit zu verhindern sei. Erasmus von Rotterdam entwarf ein Regelwerk, das den Frieden sichern sollte. Er fordert die Unverletzlichkeit der Grenzen, dass Machthaber nicht das Recht besitzen sollten, Teile des Territoriums nach außerhalb zu verkaufen, da es sich nicht um ihr Privateigentum handelt und zur Verhinderung von Kriegen empfiehlt er, einen Ältestenrat einzurichten, dessen Anweisungen der Herrscher zu folgen habe. Mit diesem Regelwerk sollten zwischenstaatliche Konflikte friedlich statt durch Gewalt gelöst werden können, indem der unumschränkten Macht der Herrscher, wenn auch zunächst nur moralisch, Schranken gesetzt werden.
Thomas Hobbes sah im Krieg einen Zustand, der zwischen den Menschen im Naturzustand normalerweise herrscht. Weil in diesem das Recht aller auf alles besteht, kann kein Frieden herrschen. Erst das Zusammenleben in einem geordneten Staatswesen entzieht dem Einzelnen das Recht, jederzeit zu Gewaltmitteln zu greifen, wenn dem Herrscher allein das Gewaltmonopol übertragen wird, ist den Staatsbürgern dauerhafter Frieden garantiert:
„Dadurch, dass die Menschen sich freiwillig vereinigen, und übereinkommen, dem Einen oder der Gesellschaft gemeinschaftlich zu gehorchen, welchem oder welcher die Stimmenmehrheit das Recht überträgt, ihr allgemeiner Stellvertreter zu sein, wird ein Staat errichtet. Jeder von ihnen wird dadurch verpflichtet, er mag demselben seine Stimme gegeben haben oder aber nicht, dem zu gehorchen, den die größere Anzahl gewählt hat; und er muss von der Zeit an die Handlungen desselben als seine eigenen ansehen.“ (Erster Absatz Kap 18.: Von den Rechten der Besitzer der höchsten Gewalt in einem errichteten Staat).
Für Hobbes ist Krieg, darin den christlichen Theologen ähnlich, das Normale, Frieden dagegen eine zivilisatorische Errungenschaft, die mit der Unterordnung unter einen , aus welchen Gründen auch immer akzeptierten weltlichen Herrscher einhergeht. Hobbes überträgt die christliche Friedensidee aus der religiösen Sphäre der Unterordnung unter einen Gott auf die weltliche, in der es der Herrscher ist, dem man Gehorsam schuldet – und dafür Frieden bekommt. Wie Kriege zwischen Staaten verhindert werden könnten, überlegt er sich nicht; den naheliegenden Gedanken, auch hier eine übergeordnete friedensstiftende Instanz, eine Art Weltbeherrscher zu schaffen, der sich alle Einzelstaaten unterwirft, verfolgt Hobbes nicht.
William Penn schlägt in seinem An Essay Towards the Present and Future Peace of Europe (1693) [dt.: Friedensplan für Europa, übers. von Margarete Rothbarth, 1920, 40 S.] vor, ein überstaatliches europäisches Parlament als Mittel zur Friedenssicherung zu gründen. Es soll sich mit der Konfliktlösung und mit friedenssichernden Maßnahmen befassen. Er hoffte, dass schon regelmäßige Treffen zwischen den Staaten Vertrauen aufbauen und dazu beitragen würden, den Frieden zu sichern.
Penns Vorschlag war seiner Zeit weit voraus, er kann als früher Vorläufer moderner internationaler Organisationen wie der Vereinten Nationen betrachtet werden. Voltaire sagte von ihm (Philosophische Briefe, Kap. 4): „William Penn konnte sich rühmen, das viel besungene Goldene Zeitalter auf Erden gebracht zu haben – es hat wohl nur in Pennsylvania existiert“. Da man im 18. Jahrhundert die Ursachen für Krieg einerseits im unvernünftigen, oft selbstsüchtigen Verhalten der Herrscher sah, forderte man von ihnen zum Wohle der Menschheit Frieden im Namen der Vernunft und des Naturrechts. Der unermüdliche Abbé de Saint-Pierre sah vor allem in den Kriegen ein Haupthindernis für die Entfaltung des Fortschritts in Wissenschaft und Gesellschaft. Er unterbreitete (1712, also drei Jahre vor dem Tod Ludwig XIV.) den Herrschern seiner Zeit ganz konkrete Vorschläge zur Friedenssicherung. Ein Bund einzelner, unabhängiger Nationen und ein internationales Schiedssystem sollten Kriege ein für alle mal verhindern, dauerhaften Frieden garantieren und die Grundvoraussetzung für das Gedeihen der Vernunft zum Wohle Aller schaffen.
Rousseau schloss sich den Vorschlägen des Abbé de Saint-Pierre an, darüber hinausgehend forderte er eine republikanische Verfassung, um die empörende Ungleichheit im Inneren zu beseitigen, dann würden Kriege zur Bereicherung einzelner Potentaten nicht mehr stattfinden. Um die im Laufe der „Zivilisation“ entstandene Gewaltbereitschaft der einzelnen Menschen zu verringern, schlägt er außerdem die Einrichtung eines humanen Erziehungswesens vor, was in der ganzen Gesellschaft zu mehr Toleranz führe.
Voltaire war, was die mögliche Umsetzung der Vorschläge Saint-Pierres und Rousseaus angeht, skeptisch. Angesichts der im 18. Jahrhundert üblichen Bündnispolitik, mit der die kleineren Staaten über Beistandsverträge der dominierenden Militärmacht entgegentraten und der von England praktizierten „Balance of Power“, mit der es erreichte, dass ihm auf dem Kontinent nie ein einzelner übermächtiger Gegner entstehen konnte, hielt er die Chance einer übernationalen friedensstiftenden Institution, wie sie Saint-Pierre und Rousseau vorschlugen, für eine Träumerei, über die er sich in seinem 1761 erschienenen Rescrit de l’Empereur de la Chine [Erlass des Kaiser von China] mit beißender Ironie lustig machte. Seine eigene Position zur Frage, wie man Kriege vermeiden könnte, erläuterte er in dem Essay Vom ewigen Frieden (De la Paix perpétuelle, par le docteur Goodheart 1769). Dort beschreibt er den verheerenden Einfluss des Christentums, insbesondere dessen andauernde Gewaltbereitschaft und Aufstachelung zu Kriegen in der Geschichte, die allein durch die Fortschritte von Wissenschaft und Aufklärung zurückgedrängt worden sei und noch weiter eingeschränkt werden müsse. Voltaire sieht die Chance zum friedlichen Miteinander der Menschen erst dann gekommen, wenn man in der Gesellschaft dem Prinzip religiöser Toleranz Geltung verschafft und damit die Voraussetzung für eine allumfassende Entfaltung der Vernunft herstellt. Um aber dieses Ziel zu erreichen, muss man unbedingt die Macht der christlichen Kirchen brechen.
Seine Schrift ist das einzige Werk, die Voraussetzung für den Erfolg friedenssichernder Maßnahmen darin sieht, den ideologischen und weltlichen Einfluss der Hauptsprachrohre der Mächtigen, zu seiner Zeit die christlichen Kirchen, einzuschränken und zu überwinden.
Immanuel Kant nun, dessen Schrift Zum ewigen Frieden, obwohl erst 1795 erschienen, noch ganz zum 18. Jahrhundert gehört, fasste die Debatte zusammen, jedoch in einer Sprache, die eher an einen Juristen als an einen Schriftsteller der Aufklärung erinnert. Am lustigsten ist der Anfang, wo er den Ewigen Frieden mit einem Friedhof in Beziehung setzt, der auf dem Firmenschild eines gleichnamigen holländischen Wirtshauses abgebildet war. Es folgen Präliminarartikel, Definitivartikel und ein Anhang zum Thema Moral und Politik. Kant geht wie Hobbes von der „Bösartigkeit der menschlichen Natur“ aus, folgt aber Rousseau, was die republikanische Verfassung als Bedingung eines dauerhaften Friedens angeht. Er entwickelt sehr pragmatisch und weniger hoffnungsvoll als die meisten französischen Aufklärer ein friedenssicherndes System, das dem des Abbé de Saint Pierre sehr nahe steht: ein Bündnis souveräner Staaten soll sich in einem Völkerbund vereinen, den er als eine Art Überstaat konzipiert, der aber nicht über eigene Zwangsmittel verfügt. Wie Bentham ist auch Kant überzeugt, dass die Ausweitung der zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen allen beteiligten Völkern den Frieden aus Eigennutz nahelegt: „Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege zusammen nicht bestehen kann und der früher oder später sich jedes Volkes bemächtigt (226)“.
3. Schlussfolgerungen
Frieden wäre dauerhaft, wenn die Vernunft regieren würde….
Welche Umstände sind es aber, die verhindern, dass sie regiert?
1. Massive Ungleichheit in einem Staat führt zur Herausbildung von Machtstrukturen, die kriegerische Auseinandersetzungen begünstigen. Die Aristokraten verfügen über Mittel, die es ihnen erlauben, nach eigenem Willen Kriege zu führen, ohne das allgemeine Wohl zu berücksichtigen. Einer dauerhafte Friedensordnung kann nur das Ergebnis einer gerechten politischen Ordnung sein.
2. Eine ähnliche Auswirkung hat es, wenn die Macht der herrschenden Monarchen nicht rechtlich – wie in England – durch eine konstitutionelle republikanische Verfassung beschränkt wird. Auch hier führt die unbeschränkte Macht zu willkürlich angezettelten Kriegen. Eine dauerhafte Friedensordnung kann nur das Ergebnis einer Verfassung sein, in der die Gesetze auch für den Herrscher gelten.
3. Das Christentum als intolerante Religion war von Anfang an der Gegenpart aller Vernunft. Es ist unmöglich, das Zusammenleben in Gesellschaft auf vernünftige Weise zu regeln, wenn Intoleranz herrscht, wenn keine geistige Freiheit existiert. Spannungen und kriegerische Konflikte sind dann unvermeidbar. Toleranz ist die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander von Menschen und Staaten, denn sie ist das Lebenselixir der Vernunft.
4. Es fehlen übernationale Institutionen, um Interessensgegensätze auf diplomatischem Wege auszugleichen. Penn, Saint-Pierre und Rousseau, Kant u.v.a. unterbreiteten konkrete Vorschläge zu ihrer Ausgestaltung und überlegten, mit welchen Zwangsmitteln sie ausgestattet sein müssten, um Wirkung zu erzielen.
5. Handelsbeziehungen, überhaupt Kontakte zwischen den einzelnen Staaten und ihrer Bürger reduzieren die Gefahr, dass es zu Kriegen kommt, denn sie schaffen Abhängigkeiten und tragen zu einer Rationalisierung der Beziehungen zwischen den Staaten, aber auch unter den Menschen, bei.
Am Vorabend der französischen Revolution hofften viele, dass nach Beseitigung der religiösen Bevormundung, der geistigen Fesseln, eine neue Zeit anbreche, in der die Vernunft regiert um, wie es Bentham formulierte, das größte Glück für die größte mögliche Zahl zu erreichen. Die Vernunft, allen Menschen verfügbar, würde einen beispiellosen Aufschwung von Wissenschaft und Kultur anstoßen und der ewige Frieden in greifbare Nähe rücken. Viele Modelle und Vorschläge wurden erarbeitet, wie zwischenstaatliche Konflikte friedlich geregelt werden könnten und den Herrschern im Absolutismus unterbreitet.
Einzig Voltaire war skeptisch und vertrat die Position, dass ohne das Reich der Vernunft auch der ewige Friede eine Illusion bleibt. Er hatte bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Berlin erfahren, wie schnell sich die vermeintlich aufgeklärte Haltung eines Potentaten in einen fast ewigen Krieg verwandeln konnte.
Rousseau kommt das Verdienst zu, den Geltungsbereich der Vernunft auf das ganze Volk ausgedehnt zu haben. Erst wenn die Mehrzahl der Menschen nicht wie Arbeitssklaven, sondern als republikanisch gleichberechtigte, denkende Staatsbürger mitregieren, besteht die Chance, dass dem kriegerischen Treiben ein Ende gesetzt wird. Und selbstverständlich war es die Französische Revolution, die, indem sie die Adelsherrschaft beendete, die Hoffnung nährte, dass jetzt die Zeit der Vernunft und des ewigen Friedens anbrechen würde.
Dass es anders kam, lag an der erneuten Ungleichheit, auch sie, wie zuvor, ideologisch von den christlichen Kirchen gerechtfertigt. Es kam zum Kolonialismus, zur industriellen Revolution, zu enormem Reichtum auf der einen, bedrückender Armut auf der anderen Seite und, fast natürlich, zu den verheerenden Kriegen des 19. und 20. Jahrhunderts.
Der Versuch, mit dem Sozialismus die Ungleichheit zu beseitigen, gelang zwar weitgehend, war jedoch gegen alle Erwartung nicht mit individueller Freiheit verbunden. Heute, 35 Jahre nach dem Untergang der Sowjetunion, steht die Welt erneut vor einer Situation extremer Ungleichheit, die sich noch weiter zuzuspitzen droht. Nur die ideologische Rechtfertigungsmaschinerie hat sich verändert: an die Stelle der christlichen Kirchen sind die gedankenlenkenden Massenmedien mit ihren modernen Psychotechniken getreten.
Wenn die Aussagen aus dem 18. Jahrhundert zutreffen – sie haben sich in den beiden Jahrhunderten, die zwischen uns und der Aufklärung liegen, ausreichend bestätigt, wird es zukünftig vermehrt zu Kriegen und Willkürherrschaft kommen, wenn, ja wenn es nicht – wie durch ein Wunder – doch noch gelingen sollte, unsere Welt so einzurichten, dass in ihr die Vernunft regiert.
4. Die einzelnen Werke
Wir stellen im Folgenden die wichtigsten Werke vor, die sich im 18. Jahrhundert mit der Frage beschäftigen, wie ein dauerhafter Friede zu erreichen sei. Nicht alle Inhaltsangaben entspringen eigener Lektüre, wir verweisen auf die Quellenangaben am Ende dieses Artikels.
1. William Penn, Toward the present and future peace of Europe by the establishment of a European Diet, parliament or estates (1693).
[dt.: Friedensplan für Europa, übers. von Margarete Rothbarth, 1920, 40 S.]
William Penn (1644-1718), der Anführer der Quäker und Gründer des nach ihm benannten Pennsylvanias. Penn sah, dass ein dauerhafter Frieden zum Schutz des Eigentums notwendig ist, weil sich das Eigentum nur im Frieden entwickeln und gedeihen kann. Daher müssen alle Bürger interessiert sein, die Herrschafter dazu zu bewegen, ihre Regierung friedlich auszuüben Sein Konzept sieht vor, den Frieden durch ein zwischenstaatliches Parlament zu sichern, wobei im Parlament der Reichere mehr Stimmen haben sollte als der ärmere Potentat.
2. Saint-Pierre, Charles Irénée Castel de, Projet pour rendre la paix perpétuelle en Europe (1712 und 1717)
[dt.: Der Traktat vom ewigen Frieden 1713. Hg. und mit einer Einleitung versehen von Wolfgang Michael. Übers. v. F. Oppeln-Bronikowski, Berlin: Hobbing, 1922]
Der französische Gesellschaftswissenschaftler und Frühaufklärer Charles-Irénée Castel, Abbé de Saint-Pierre (1658–1743), erreichte mit seinem Vorschlag für eine europäische Friedensordnung, eine ungemein große Beachtung. Es geht ihm um einen internationalen Zusammenschlusses der Staaten Europas, damit Konflikte verhindert und diplomatische Lösungen für Streitigkeiten erarbeitet werden können. Der Völkerbund verfügt über Schiedsgerichte, die Konflikte friedlich lösen. Wenn ein Mitgliedsstaat gegen die Entscheidungen des Bundes verstößt oder Gewalt anwendet, sind die anderen Staaten berechtigt, gemeinsam gegen diesen Aggressor vorzugehen. Dabei besteht die Souveränität der einzelner Staaten weiterhin, ist jedoch zugunsten des Friedens einschränkt. Diese Idee beruht auf dem Grundsatz der kollektiven Sicherheit: Ein Angriff auf einen Mitgliedsstaat wird als Angriff auf alle betrachtet, und alle anderen Staaten müssen gemeinsam den Angreifer zur Ordnung rufen.
Regelmäßige Konferenzen zwischen den Staatsoberhäuptern und Diplomaten der beteiligten Länder helfen, Konflikte rechtzeitig zu entschärfen und gemeinsame Lösungen zu finden. Abbé de Saint-Pierre argumentiert, dass es sowohl moralisch als auch praktisch sinnvoll ist, Frieden zu wahren. Er sieht den Krieg nicht nur als unmoralisch, sondern auch als irrational an, da er enorme Kosten verursacht und letztlich alle Beteiligten schwächt.
Wichtig ist eine Reduzierung der Militärausgaben, denn die enormen Kosten für Armeen und Kriege behindern die gesellschaftliche Entwicklung. Statt Ressourcen in Militärapparate zu investieren, sollten die Staaten diese Gelder in die Verbesserung der Lebensumstände ihrer Bürger und in den Handel stecken. Eine dauerhafte Friedensordnung würde es den Nationen ermöglichen, sich zu entmilitarisieren, da die Gefahr von Kriegen stark reduziert wäre.
Saint-Pierre war ein Kritiker des absolutistischen Systems seiner Zeit, das in Europa vorherrschte. Er sieht in der Willkür der Monarchen eine der Hauptursachen für Kriege. Deshalb wurde ihm sein Sitz in der Akademie Française entzogen. Er sah ganz klar und hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, dass ein permanenter Frieden nur erreicht werden kann, wenn die Staaten nicht von Einzelpersonen regiert werden, die ihre Macht oft für persönliche Ambitionen und Eroberungen missbrauchen. Obwohl Saint-Pierre die Monarchie als Staatsform anerkennt, plädiert er dafür, dass sie durch internationale Verträge und Institutionen gebunden wird, die das allgemeine Wohl über die Machtinteressen der einzelnen Herrscher stellen.
3. Rousseau, Jean Jacques, Extrait du Projet de la paix perpetuelle de M. l’abbé de Saint-Pierre (1761) und Jugement du Projet de paix perpetuelle (1782)
Jean-Jacques Rousseaus (1712-1778) Friedenskonzept ist eng mit seinen politischen und philosophischen Überlegungen über Gesellschaft, Freiheit und die menschliche Natur verknüpft. Rousseau verfasste 1761 und 1782 je einen Kommentar zum Friedensprojekt des Abbé de Saint-Pierre und entwickelte darin einen über diesen hinausgehenden, eigenen Entwurf. Die Ursachen von Kriegen sieht er in der Machtkonzentration bei den Monarchen, verbunden mit extremer sozialer Ungleichheit. Dies führt zu ständigen Rivalitäten und Kriegen zwischen den Staaten.
Rousseau bezweifelt, dass eine Föderation von Staaten, wie sie Saint-Pierre vorschlägt, durchsetzbar ist, so lange die Herrschaft von Monarchen fortbesteht. Er bezweifelt, dass bloße Verträge und Bündnisse zwischen Monarchen deren Bestrebungen, nach außen ihre Besitzungen auszudehnen und im Inneren selbstherrlich zu herrschen, eindämmen könnten. Während Saint-Pierre bei seiner Friedenskonzeption alle Hoffnung auf die Vernunft der Herrscher setzt, denen er sein Projekt unermüdlich anempfahl, steht für Rousseau fest, dass diese gerade das Hindernis auf dem Weg zu einer dauerhaften Friedensordnung darstellen, die nur als Ergebnis einer gerechten politischen Ordnung entsteht, auf dem allgemeinen Willen (volonté générale) der Bürger der einzelnen Staaten aufbaut, Gesetzen gehorcht, denen sich auch die Regierenden unterwerfen müssen.
Rousseau betont auch die Bedeutung der Erziehung. Er hofft, dass Menschen, die geistig und moralisch gebildet sind, ihre Freiheit in sozialer Verantwortung ausüben und weniger geneigt sind, Konflikte zu suchen.
In seinem Werk Droit de la guerre (Über das Kriegsrecht) fordert er, dass Zivilisten in Kriegszeiten gesetzlich geschützt werden, und nur das Militär an Kampfhandlungen beteiligt sein soll.
4. Voltaire, Rescrit de l’empereur de la Chine à l’occasion du projet de paix perpétuelle (1761)
Dies ist eine kleine satirische Schrift gegen Rousseau und somit auch gegen den Abbé de Saint-Pierre. Sie ist lustig, ironisch, polemisch, wendet sich vor allem auf die Beschränkung des Friedenspaktes auf das christliche Europ, ist aber kein Ruhmesblatt für Voltaire, weil er versucht, Rousseau als Einzelnen, der sich anmaßt, den Großen, gar Staaten, Empfehlungen geben zu wollen, lächerlich zu machen.
5. Voltaire, De la Paix perpétuelle, par le docteur Goodheart, traduction de M. Chambon (1769)
[dt.: Vom ewigen Frieden, hrsg. Voltaire-Stiftung, übers. u. kommentiert v. R. Neuhaus, www.correspondance-voltaire.de/ voltaire-vom-ewigen-frieden]
Voltaire erklärt kategorisch, dass auf einen ewigen Frieden nicht zu hoffen ist, solange das Christentum die Köpfe vernebelt und die Menschen zum Religionshass aufstachelt. Erst wenn man sich von dieser Sekte, die bereits im römischen Staat gegen alle anderen Glaubensgemeinschaften gehetzt und gestänkert hat, befreit hat, kann über die Möglichkeit, unter den Menschen Frieden herzustellen, nachgedacht werden. Solange das Christentum Einfluss besitzt, sind alle Projekte in dieser Richtung illusorisch und vergebens. In der fiktiven Befragung, der sich ein Christ und ein Jude durch Marc Aurel unterziehen müssen, erweist sich das Christentum als intolerant, verstandeswidrig und gefährlich, währen die Juden zwar ebenfalls alle anderen Religionen verdammen, jedoch wenigstens nicht gegen sie zur Tat schreiten und insofern harmlos sind. Das ist Voltaires Fazit: „Es ist offensichtlich, dass die christliche Religion ein Netz ist, mit dem Betrüger über siebzehn Jahrhunderte lang die Dummen eingefangen, und ein Dolch, mit dem Fanatiker über vierzehn Jahrhunderte lang ihren Brüdern die Kehle durchgeschnitten haben“.
Daher: Bevor eines Tages die Völker in Frieden zusammenleben und ihre Beziehungen vernunftgemäß organisieren können, müssen sie sich zuallererst von dem erbittertsten Feind der Vernunft, dem Christentum, befreien
6. Bentham, Jeremy, Principles of International Law. – A Plan for an Universal and Perpetual Peace (1786)
[dt.: Grundsätze für ein künftiges Völkerrecht und einen dauernden Frieden, eingel. u. hg. v. Oskar Kraus, Halle: Max Niemayer, 1915]
Jeremy Bentham (1748–1832), Philosoph und Jurist, ist bekannt als Begründer des Utilitarismus, einer Ethik, die darauf abzielt, das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl von Menschen zu fördern. Er betont die enormen Kosten von Kriegen – sowohl in Form von menschlichem Leid als auch in Form von wirtschaftlicher Zerstörung – die den möglichen Nutzen für die Krieg führenden Staaten bei weitem überwiegen. Kriege führen zu Instabilität, Zerstörung und langfristigen Spannungen, während der Friede den Wohlstand und die Lebensqualität aller steigert.
Wie Saint-Pierre glaubt auch Bentham, dass der Frieden durch internationale Zusammenarbeit und die Entwicklung globaler Institutionen gesichert werden könne. In seinem Plan für einen dauerhaften Frieden schlägt er eine Reihe von Maßnahmen vor, um friedliche Beziehungen zwischen den Nationen zu fördern: Ein internationales Rechtssystem soll die Beziehungen zwischen den Staaten auf der Grundlage von Gesetzen und Verträgen regeln, anstatt auf Gewalt und Eroberung. Ein internationaler Gerichtshof soll zwischenstaatliche Streitigkeiten schlichten und so militärische Konflikte verhindern.
Bentham fordert die Staaten auf, abzurüsten. Die Aufrechterhaltung großer stehender Armeen ist nicht nur eine immense wirtschaftliche Belastung, sondern schürt auch Misstrauen und Spannungen zwischen den Nationen, was das Risiko von Kriegen erhöht.
Der freie Handel ist ein wichtiges Mittel zur Friedenssicherung. Wirtschaftliche Verflechtungen zwischen den Nationen führen dazu, dass Kriege weniger wahrscheinlich werden, weil die wirtschaftlichen Kosten eines Konflikts für alle Beteiligten zu hoch werden. Freie Handelsbeziehungen bringen die Staaten in gegenseitige Abhängigkeit, die den Frieden fördert, indem sie die Nationen dazu anregen, miteinander zu kooperieren: Weltfrieden folgt aus Welthandel.
Demokratische Staaten gehen eher friedlich miteinander um als autokratische Regime. Die Demokratie, indem sie die Interessen der Mehrheit bündelt, wird Krieg eher meiden, da Kriege in der Regel gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet sind, denn sie ist es, die die Kosten in Form von Leben und Ressourcen direkt zu tragen hat. Despoten oder Monarchen hingegen neigen dazu, Kriege für persönliche oder dynastische Interessen zu führen, ohne Rücksicht auf das Wohl ihrer Untertanen. Der Frieden maximiert das Wohl der Menschen und sollte daher das Ziel politischer und internationaler Maßnahmen sein.
7. Wettbewerb der Académie Française (1766), Preis für die beste Arbeit zum Thema: Des malheurs de la guerre, et des avantages de la paix
[dt: Vom Unglück des Krieges und über Vorteile des Friedens]
Der Wettbewerb von 1766 mit dem Thema über Krieg und Frieden war ein bedeutender Versuch der Académie, angesichts der Verwüstung des zu Ende gegangenen Siebenjährigen Krieges über die Möglichkeit, den Frieden zu sichern, nachzudenken. Die Preisträger waren Jean-François de La Harpe, Gabriel Henri Gaillard, Louis-Sébastien Mercier und Gabriel Bonnot de Mably.
Gleichzeitig zu diesem Wettbewerb veranstaltete die Académie des Beaux-Arts einen Wettbewerb für das beste Gemälde zum Thema „Les Malheurs de la Guerre“ Preisträger waren die Künstler Joseph-Marie Vien , Louis-Jean-François Lagrenée , Gabriel-François Doyen.
Die Académie-Preisträger:
Francois de la Harpe, Des Malheurs de la guerre et les avantages de la paix, 40 S.
Jean-François de La Harpe (1739–1803) kritisiert die autokratische Herrschaft und die Tyrannei der Monarchen. Er argumentiert, dass viele Konflikte und Kriege auf Machtmissbrauch und die Gier von Herrschern zurückzuführen sind, die ihren eigenen Ruhm oder territorialen Gewinn über das Wohl ihrer Untertanen stellen. La Harpe sieht, ganz in der Tradition Voltaires stehend, Vernunft, Toleranz und Freiheit als Grundlage für eine friedliche Gesellschaft an. Für ihn ist die Aufklärung der Weg, um Kriege zu verhindern.
Ähnlich wie Rousseau sieht er die moralische Erziehung und die Förderung von Tugendhaftigkeit als Schlüssel zu einem dauerhaften Frieden. Frieden kann nur in einer Gesellschaft existieren, die auf moralischen Prinzipien aufbaut. Menschen sollten nicht nur durch Gesetze und Institutionen zum Frieden gezwungen werden, sondern sollen ihn durch eine tiefe moralische Überzeugung selbst anstreben. Der Frieden muss von innen heraus kommen, Gesellschaften sollen auf Gerechtigkeit, Toleranz und gegenseitigem Respekt aufgebaut sein.
Wie Voltaire sieht La Harpe im religiösen Fanatismus eine der Hauptquellen von Konflikten und Kriegen. Religiöse Toleranz ist eine zentrale Voraussetzung für den inneren Frieden in einer Gesellschaft. Nur wenn Despotismus und Aberglauben überwunden sind, ist ein friedliches Zusammenleben möglich.
Gabriel Henry Gaillard Des malheurs de la guerre et les avantages de la paix
Gabriel Henri Gaillard (1726–1806) betrachtet die Geschichte als eine Abfolge von Kriegen und Eroberungen, wobei er der Meinung ist, dass viele Kriege vermeidbar gewesen wären, wenn die Herrscher und politischen Führer ihre Entscheidungen auf Vernunft und nicht auf Emotionen wie Stolz, Gier oder Ehrgeiz gegründet hätten.
In der Ungerechtigkeit, ob auf persönlicher, nationaler oder internationaler Ebene, sieht er eine der Hauptursachen von Konflikten. Ein gerechtes politisches System, das die Rechte und Freiheiten der Menschen respektiert, wäre die Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden.
Gaillard verurteilt imperialistische Eroberungskriege, die viele europäische Staaten, einschließlich Frankreich, in der Geschichte geführt hatten. Er sieht im Streben nach territorialer Expansion und Macht eine weitere wichtige Ursache von Kriegen, die zu langanhaltenden Spannungen und Konflikten zwischen Staaten führt.
Staaten sollen sich auf die Verteidigung ihrer legitimen Interessen beschränken und auf Eroberung und Aggression verzichten. Wichtig sind Diplomatie und friedliche Verhandlungen zur Lösung internationaler Konflikte. Er zeigt, dass Kriege häufig aus Missverständnissen, fehlender Kommunikation oder falschen politischen Kalkulationen entstehen. Die Errichtung eines mit Zwangsgewalt ausgestatteten internationalen Schiedsgerichts, das Streitigkeiten zwischen den Nationen klärt und dem sich die einzelnen Staaten unterwerfen müssen, ist Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden.
Louis Sébastien Mercier , Des malheurs de la guerre et les avantages de la paix, 67 S.
Louis-Sébastien Mercier (1740–1814) war vor allem durch sein utopisches Werk L’an deux mille quatre cent quarante, 1771 (dt.: Das Jahr 2240, übersetzt von Ch. F. Weiße, 1772) bekannt geworden.
Er beschreibt die verheerenden Auswirkungen des Krieges, schildert die Zerstörung von Städten, das Leid der Zivilbevölkerung, die Hungersnöte und die sozialen und wirtschaftlichen Schäden. Krieg zerstört aber nicht nur das Leben von Menschen, sondern auch die moralischen Werte. Krieg bedeutet die Herrschaft des Chaos und der Barbarei, und steht im Widerspruch zur Zivilisation und zum Fortschritt. Ein notwendiges Übel ist er ganz und gar nicht.
Eine friedliche Welt setzt Gerechtigkeit, Vernunft und Humanität voraus, Zustände in denen Konflikte durch Diplomatie und Verhandlungen gelöst werden, anstatt durch Gewalt, Machtgier und dem Egoismus der politischen Führer, den Hauptursachen der Kriegstreiberei. Mercier fordert die Veränderung der Gesellschaft, um die Ursachen von Kriegen zu beseitigen.
In seinem utopischen Roman L’an deux mille quatre cent quarante (Das Jahr 2440) sind die Ursachen für Kriege – wie Gier, Territorialansprüche und Machtstreben – überwunden: Es gibt keine Aristokratie mehr, alle Bürger sind gleich. Die Menschen sind hochgebildet. Priester haben keine politische Macht, die Religion dient der Förderung von Tugend und Vernunft. Folter und die Todesstrafe sind abgeschafft. Es gibt keine übermäßigen Luxusgüter oder verschwenderischen Bräuche.
Die Abschaffung von Krieg geht einher mit einer allgemeinen moralischen Verbesserung der Menschheit. Die Menschen haben ihre egoistischen und destruktiven Triebe überwunden, sie folgen der Vernunft und lösen ihre Konflikte durch Dialog und Verständnis statt durch Gewalt.
Gabriel Bonnot de Mably , Des malheurs de la guerre et les avantages de la paix
Gabriel Bonnot de Mably (1709–1785) Rousseau eng verbunden, sieht Kriege als Ausdruck von Machtgier und Ungerechtigkeit. Sie werden oft auf Kosten der einfachen Bevölkerung geführt und sind in erster Linie das Resultat der Ambitionen von Herrschern und Mächtigen auf Expansion und Machtgewinn, Herrschern, die ihre eigenen Interessen über das Wohl ihrer Untertanen stellen.
Er fordert eine grundlegende Reform der politischen Strukturen, um eine friedlichere Weltordnung zu schaffen, das heißt, eine Gesellschaft, die auf Prinzipien von Gerechtigkeit, Gleichheit und Wohlstand basiert, da soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit häufig Konflikte und Kriege hervorrufen.
Staatliche Macht sei so zu organisieren, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit dient und nicht den Interessen einzelner Herrscher oder Eliten. Eine gerechte und verantwortungsvolle Regierung sollte die Bedürfnisse und das Wohl der Bevölkerung in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Anstelle eines absoluten Herrschers fordert Mably die Volkssouveränität.
Ist sie gegeben, sieht er die Möglichkeit, internationale Konflikte durch Verhandlungen und diplomatische Mittel zu klären, anstatt durch Krieg. Die Betonung liegt auf dem Dialog und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten, um friedliche Lösungen für Differenzen zu finden.
8. Encyclopédie, Article Paix
Der kurze Artikel beginnt mit einer Definition des Begriffs „Frieden“ als Zustand der Ruhe und des Ausgleichs im Inneren einer Gesellschaft, und mit gute Beziehungen zwischen den Völkern untereinander.
Kriege sind wie Krankheiten und es stimmt nicht, dass sie ein natürliches Merkmal menschlichen Wesens sind, wie etwa Hobbes es behauptet. Ganz im Gegenteil entspricht dem natürlichen Zustand die Gesundheit und nicht die Krankheit und ebenso der Frieden und nicht der Krieg. Frieden ist Grundvoraussetzung für Wohlstand und die Entwicklung der Zivilisation.
Ihre blinden Leidenschaften bringen die Fürsten dazu, die Grenzen ihrer Staaten ausdehnen zu wollen; sie kümmern sich nicht um das Wohl ihrer Untertanen, oft genug nicht einmal um ihre eigenen Interessen.
„Wenn die Vernunft die Menschen regieren würde, wenn sie über die Führer der Nationen die ihr gebührende Macht hätte, würde es nicht vorkommen, dass sie sich gedankenlos der Wut des Krieges hingeben“.
9. Ange Goudar, La Paix en Europe (1757)
Goudar kritisiert die ständigen Kriege und Konflikte zwischen den europäischen Mächten, die über kurz oder lang dazu führen werden, alle zusammen zugrunde zu richten. Um dem zu entgehen, sollen die europäischen Nationen einen 20 jährigen Frieden einhalten und in dieser Zeit ihre Zusammenarbeit entwickeln und sich weitgehend zusammenschließen (zu einer république universelle). Danach wären sie in der Lage, Konflikte zu vermeiden und zu lösen.
« Une Trêve générale , ou une suspension d’armes, pendant vingt ans, entre toutes les Puissances politiques , donneroit à chaque Etat des idées relatives à la paix, & par là-même, y conduiroit (207)
Man muss die Ursachen der Kriege bekämpfen, sonst sind Friedensschlüsse nichts anderes als Verschnaufpausen, in denen man Kräfte sammelt, um wieder zuzuschlagen. Wirtschaftliche Verflechtungen und Handelsbeziehungen würden die Interessen der Nationen miteinander in Einklang bringen und so die Spannungen verringern.
Sein 20 jähriger Friedensvertrag folgt im wesentlichen den Gedanken des Abbé de Saint Pierre, mit dem einen Unterscheid, dass am Ende der zwanzig Jahre alle wieder auseinandergehen und auch wieder Kriege führen dürfen, wobei Goudar hofft, dass sich durch die zwanzigjährige institutionelle Verflechtung der Dialog und die Verhandlungsbereitschaft zwischen den europäischen Mächten soweit entwickeln , dass es zu einer dauernden Friedenssicherung kommt.
10. Formey, Jean Henry Samuel, Anti-St. Pierre, Ou Refutation De L’Enigme Politique De L’Abbé de St. Pierre, 37 S (1742).
Jean Henry Samuel de Formey (1711–1797) war ein Sohn französischer Hugenotten, die nach der Aufhebung des Edikt von Nantes 1685 nach Berlin geflohen waren. Geboren in Berlin, spielte er dort eine etwas zwiespältige Rolle, er suchte sich am Hofe Friedrich zu behaupten, was ihm manche Winkelzüge und Bücklinge abverlangte.
Die Schrift darf zu letzteren gezählt werden. Formey wehrt die Kritik Saint-Pierres gegen den Krieg Friedrichs (sog. Österreichische Erbfolgekrieg v. 1740 – 1748) in einer Weise ab, die seinen Status als Höfling nur allzu deutlich unter Beweis stellt.
Er lobt die Weitsicht seines Königs, dessen Recht auf Schlesien, dessen Klugheit usw. und kritisiert die Anmaßung des kleinen Schriftstellers Saint-Pierre, der sich berechtigt fühle, einem so hochgestellten Mann alternative Möglichkeiten, die angeblich den Frieden erhalten hätten, vorschlagen zu dürfen.
Der Text ist allein interessant als Beispiel für die Arroganz der Macht, vermittelt durch einen seiner untertänigsten und abhängigen Diener (Formey war langjähriger Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften).
81 Artikel von Formey wurden in die Enzyklopädie aufgenommen, auch mit Voltaire stand er bis es zum Bruch mit Friedrich kam, auf gutem Fuß, anschließend aber äußerste er sich gehässig.
Literaturhinweise
- Bahner, Werner, Die Friedensideen der französischen Aufklärung, in Aufklärung, Gesellschaft, Kritik, Berlin: Akademie (1985), S.79 – 165
Aufklärung, Gesellschaft, Kritik – Google Books - Bahner, Werner, Die Position des Abbé de Mably in der französischen Aufklärung, in: ders., Formen, Ideen, Prozesse in den Literaturen der romanischen Völker, Bd.2., Berlin: Akademie, 1977, S. 187-219
- Fetscher, Iring, Modelle der Friedenssicherung : mit e. Anh. Marxistisch-leninistische Friedenskonzeptionen, München: Piper, 1972
- Reuvers, Hans-Bert, Philosophie des Friedens gegen friedlose Wirklichkeit, Köln: Pahl-Rugenstein, 1983
- Wollgast, Siegfried, Zur Friedensidee in der Reformationszeit. Texte von Erasmus, Paracelcus, Franck, Berlin: Akademie, 1968
- Raumer, Kurt v., Ewiger Friede. Friedensrufe und Friedenspläne seit der Renaissance, Freiburg-München: Karl Alber, 1953