Voltaire in Châtenay
Châtenay liegt südlich von Paris (südöstlich von Versailles und nördlich von Sceaux) und ist auch heute noch ländlich, obwohl durch die Bebauung voll mit dem Großraum Paris zusammengewachsen. Die 1 stündige Busfahrt von St. Michel bis dorthin ist ein kleiner Ausflug vom urbanen Zentrum in einen der für die französische Hauptstadt so typischen Randbezirke, der zudem zu den Ursprüngen des berühmten Voltaire führt. Châtenay ist mit der RER Linie B2B (Endstation Robinson) oder mit dem Bus 38 (Gard du Nord oder z.B. Boulevard St. Michel) bis Porte d'Orléans, und von dort nach Umsteigen in den Bus 194 günstig zu erreichen. Die Linie 194 endet in Chatenay. Correspondance-Voltaire dankt dem 'Voltaire-Korrespondenten' Rainer Fischer aus Kempen, der die Texte und Bilder über Châtenay-Leben und Châtenay heute nach einem Besuch Châtenays im Jahr 2016 zur Verfügung gestellt hat.
Châtenay - in Arouets Landhaus
Im Jahre 1712 erwarb Voltaires Vater, der Advocat François Arouet, ein ländliches Anwesen in Châtenay.
Dieser Aufgang ist von dem Anwesen der Arouets noch übrig. Laut Touristenbüro ist es der authetische Treppenaufgang von 1712.
Wenn es so ist, kann man annehmen, daß es sich um ein repräsentatives Haus gehandelt hat.
Photo: Mairie de Châtenay-Malabry
Voltaire wurde aufgrund eines kritischen Gedichtes ("puero regnante") gegen den Regenten am Morgen des 16. Mai 1717 von einem Polizeikommissar mit einer "Einladung" konfrontiert:
"Der Wunsch seiner königlichen Hoheit ist, daß Sieur Arouet, Sohn, festgenommen und zur Bastille gebracht wird. Phillipe."
In der Bastille verbrachte er 11 Monate, während der er nicht nur überlegte, seinen Namen zu ändern, sondern auch den Anfang seines epischen Gedichtes "La Ligue" verfasste, das später unter dem Titel "La Henriade" in ganz Europa gelesen wurde. Am 11. April 1718 verläßt Voltaire , damals noch "nur" als François Marie Arouet die Bastille und muß sich nach 8 viel zu kurzen Tagen in Paris nach Châtenay begeben, in das Landhaus seines Vaters. Am 10. April 1718 schrieb das Sekretariat des Königshauses:
"Der Wunsch seiner königlichen Hoheit ist es, daß Herr Arouet, Sohn, Gefangener in der B., freigelassen und verlegt wird ins Dorf Châtenay, bei Sceaux, wo sein Vater, der dort ein Landhaus hat, ihn unterbringen wird".
Aus Châtenay, vom 12, Juni 1718, datiert der erste Brief, gerichtet an den Earl of Ashburnham, den Voltaire mit "Arouet de Voltaire" unterzeichnet. Im Oktober 1718 endet die Verbannung, Voltaire kehrt aus Châtenay nach Paris zurück, gerade noch rechtzeitig für die Aufführung seines Theaterstückes "Œdipe" (18,Nov.1718).
Als Ergänzung hier noch das Gedicht 'puero regnante', dessen Urheber zu sein Voltaire immer bestritten hat - aus dem Lateinischen übersetzt von Theodore Besterman:
Ein Knabe herrscht,
ein Mann, der berüchtigt ist
für seine Giftmischerei
und seinen Inzest, regiert.
Die Berater unwissend und unzuverlässig
die Religion noch unzuverlässiger,
ein leerer Staatsschatz,
das Vertrauen des Volkes erschüttert.
Vor der drohenden Gefahr eines allgemeinen Aufruhrs,
das Vaterland einer schnöden und voreiligen Hoffnung
auf die Krone geopfert;
Frankreich kurz vor dem Untergang.
Der Knabe ist natürlich der noch unmündige Ludwig XV und der Mann der Duc d'Orléans, dem man nachsagte, ein Verhältnis mit seiner Tochter zu haben.
Châtenay heute (2016)
2016:
Begibt man sich zunächst zum Rathaus, neben dem sich das Touristenbüro befindet, so wird man freundlich empfangen und mit einem Stadtplan und einem Heftchen ausgestattet, das die Häuser und die Anwesenheit berühmter Menschen in Châtenay beschreibt und in einem Rundgang darstellt. Unter lfd. Nr. 5 findet man dort den Platz des ehemaligen Hauses, das Voltaires Vater 1712 erworben hat und in dem Voltaire während seiner Verbannung im Anschluß an seinen ersten Bastille-Aufenthalt (16. Mai 1717 - 11. April 1718) bis Oktober 1718 wohnen mußte. Von dem Haus existiert heute noch eine stattliche Treppe, das Grundstück liegt an der "Rue Voltaire", die in die "Place Voltaire" mündet, die in unmittelbarer Nähe der kleinen, alten Kirche St. Catherine liegt.
Im Gebäude Place Voltaire No.1 befindet sich eine Brasserie "de Voltaire" und auf ihrem Dach, in einem kleinen Türmchen, eine Büste Voltaires. Geht man von hier aus über die Rue d'Eglise in die lebhafte und mit Geschäften bestückte Rue Jean Longuet, so trifft man, nachdem man den Marktplatz links hinter sich gelassen hat, an der Kreuzung mit der Rue des Tournelles auf die sogenannte "Grande Statue de Voltaire", eine Büste auf einem schon beeindruckenden Sandsteinsockel.
Diese Voltaire-Büste stammt von Marguerite Gagneur, Pseudonym 'Syamour' (1857 - 1945) und wurde am 18. November 1906, ein Jahr nach der Verabschiedung des loi Jules Ferry (9.12.1905), mit dem die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich besiegelt wurde, eingeweiht.
Die Inschrift auf dem Sockel lautet:
"J'ai fait un peu de bien, c'est mon meilleur ouvrage. Voltaire". Also: "Ich habe ein klein wenig Gutes getan. Das ist mein bestes Werk".
Unter den für einen so kleinen Ort vielen berühmten Menschen, u.a. Colbert und Chateaubriand, nimmt Voltaire, der sich letztlich doch recht kurze Zeit (wie oft ist nicht genau bekannt) in Châtenay aufgehalten hat, auch heute noch einen prominenten Platz ein.
Von der einige Zeit diskutierten Vermutung, Voltaire sei in Châtenay geboren, hat man sich aber dort - realistisch - verabschiedet.