Voltaire ist Davos und Silicon Valley, Rousseau ist Trump und Brexit

Die Welt, 20.3.2018 (von Sarah Pines). Schon der Titel verrät viel über das intellektuelle Niveau dieses Artikels, mit dem die große Welt einer komplett ahnungslosen Leserschaft dümmliche Histörchen über Voltaire und Rousseau präsentiert, um, ja um was eigentlich zu erreichen?

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Elements de la philosophie de Newton Amsterdam 1738 Jacques Desbordes.

Nach ausführlichen Studien und eigenen Experimenten, die gemeinsam mit Émilie du Châtelet  und den Naturwissenschaftlern Clairaut sowie Maupertuis in Cirey durchgeführt wurden, übersetzte zunächst Émilie du Châtelet Newtons Werk. Die “Elements de la Philosophie de Newton” stellen eine popularisierte Version aus der Feder Voltaires dar. Die französische Physik war zu Voltaires Zeit noch stark von theologischen Bevormundungen und Irrtümern geprägt – mit dieser Übersetzung hat Voltaire der experimentellen Wissenschaft gegen spekulative Phantastereien in Frankreich zum Durchbruch verholfen. Die erste Ausgabe erschien ohne die vier letzten Kapitel über das Planetensystem. Erst 1741 erschien in Paris die erste vollständige Ausgabe mit London als Druckortangabe.

Auf Deutsch (Jahr der ersten Ausgabe, ohne Folgeauflagen):
Als Einzelausgabe:
o Die Metaphysik des Neuton [Newton] oder Vergleichung der Meinungen des Herrn von Leibnitz und des Neutons von dem Hn. Von Voltaire in Franz. Sprache abgefaßet und ins Deutsche übersetzet von G. C. M. , [= Gottlieb Christian von Moser] Helmstädt: Weygand, 1741, 104 S. (BV-200628 )
o Elemente der Philosophie Newtons, Verteidigung des Newtonianismus, Die Metaphysik des Neuton, herausgegeben von Renate Wahsner und Horst Heino v. Borzeszkowski, Berlin 1996 (de Gruyter ). (BV-200522)

In Sammlungen:
o Die Metaphysik des Neuton [Newton] oder Vergleichung der Meinungen des Herrn von Leibnitz und des Neutons von dem Hn. Von Voltaire in Franz. Sprache abgefaßet und ins Deutsche übersetzet von G. C. M. , [= Gottlieb Christian von Moser] Helmstädt: Weygand, 1741, 104 S. (Bd.1, Seite: , (BV-200628)
o Elemente der Philosophie Newtons, in: Borzeszokowski, H.H, von, Wahsner, R., Newton und Voltaire, Berlin: Akademie, 1980, S. 217 - 290 (nicht: 2.Teil und 3. Teil nur Kap. 1,5) (Bd.1, Seite: , (BV-201079)
o Elemente der Philosophie Newtons, Verteidigung des Newtonianismus, Die Metaphysik des Neuton, herausgegeben von Renate Wahsner und Horst Heino v. Borzeszkowski, Berlin 1996 (de Gruyter ). (Bd.1, Seite: , (BV-200522)

Voltaire, Candide oder der Optimismus. Neu übersetzt von Tobias Roth und illustriert von Klaus Ensikat. Officina Ludi: Großhansdorf, 2018, 123 S.

Die sehr ansprechende, bibliophile Ausstattung mit den Zeichnungen von Klaus Ensikat überzeugt unbedingt, weniger die Übersetzung von Tobias Roth. Dieser mangelt es vor allem an Tempo, dem für Candide so wichtigen, beschwingten Sprachstil, der durch die Neigung, aus einem Satz bei Voltaire zwei im Deutschen zu machen, heruntergedrückt wird. Auch sind etliche Übersetzungsideen ziemlich gesucht, was eventuell darauf zurückzuführen ist, daß Roth originell und eigenständig sein wollte. Das ging schief.

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Voltaire vernebelt: Voltaires Fanatismuskritik in Zürich entschärft

Adaption von Voltaires Der Fanatismus oder Mohammed der Prophet im Volkshaus Zürich

Aufführung am 4.11.2017 (Prophet 3.0, Regie Andrej Togni). Besprechung der Erstaufführung.

Als die politisch-propagandistische Offensive des Islam unter aktiver Förderung der westlichen Regierungen in Europa begann, bewirkte vor 24 Jahren ein Genfer Stadtrat, daß die Aufführung von Voltaires Der Fanatismus oder Mohammed der Prophet abgesagt werden musste, ganz einfach dadurch, daß er der Schauspieltruppe die zugesagten finanziellen Mittel entzog. Um des lieben Friedens willen, sozusagen, denn auf den Straßen demonstrierten von den Brüdern Ramadan aufgestachelte Kopftuchfrauen. Die Absage führte zu erregten Debatten in der Genfer Bevölkerung, immerhin hätte das Stück zum 300. Geburtstag Voltaires gezeigt werden sollen. Das geschah 1993, wenige Jahre nach dem Mordaufruf Khomeinis gegen Salman Rushdie.

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Voltaire verhunzt: Die Prinzessin von Babylon im Freitag-Blog

Zum Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Soloto vom 21.10.2016

von Rainer Neuhaus

Der – aus unserer Sicht – widerlichste Text des Jahres 2016 stammt von einem Mitglied der Freitag-community und ist eine ‚Gendermeditation’, soll wohl heißen, daß einer herauslabert, was unter Ausschaltung jeglicher Vernunft aus seinem unbewussten Schlamassel zum Thema Voltaire so alles hochkommt. Was dabei herauskommt? Ein stinkender, sich selbst als Rosenduft empfindender Misthaufen – nichts anders.

Sich diesem Unrat zu widmen, hieße Perlen vor die Säue werfen, wenn denn nicht Gestank die Eigenschaft hätte, sich auszubreiten, oder wenn man damit rechnen könnte, daß Wissen zu Voltaires Leben und Werk allgemein verbreitet ist. Außerdem hilft es vielleicht, einige Illusionen über Zeitungen von der Art des Freitag zu vertreiben.

Hier, was Mister Soloto in seiner Gendermeditation zum Besten gibt. Und so legt er los: „Viele beziehen sich auf die Aufklärung, doch liest man die Texte wirklich, entstehen Irritationen. Irritationen, um die man seine Gedanken wie Hüften kreisen lassen kann“. Und so endet er: „Diese Sichtweise, versteht sich von selbst, kann ich mit keinerlei Quellenangaben belegen, sie ist pure Spekulation und flatterte mir eben so zu, der Weltgeist zwitscherte, tschilp, tschilp.“ Jaja, der Weltgeist zwitscherte – man hört ihn förmlich krächzen – und gab Freitag-Soloto dann noch diese feinduftende Weisheit ein: „Mag des Menschen spirituelle Essenz auch geistiger Natur sein, hat sie doch ein biologisches Korrelat, das Ejakulat.

Dazwischen liegen seine Ausgüsse zu Voltaires Roman ‚Prinzessin von Babylon’. Freitag-Soloto hat ihn auf der Straße gefunden, vor einem Hauseingang abgelegt, wie es heute üblich ist: man stößt Bücher ab, setzt sie aus, hofft, sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, indem man ein gutes Werk verrichtet. In diesem Fall ging das daneben, denn Freitag-Soloto findet Voltaire, an dem er schon immer einmal sein Mütchen kühlen wollte: „Voltaire, der Verfechter der Vernunft. Ekelig, natürlich, aber auch er hat eine Chance verdient.“ Die Chance ist, daß Meister Soloto den Roman liest. Chapeau!

Wofür steht aber Voltaires Prinzessin von Babylon? Hier, was als Inhaltsangabe auf den Seiten der Voltaire-Stiftung steht:

Die Erzählung „Die Prinzessin von Babylon“ erschien 1768 in Genf. Eine Prinzessin, schön wie Tag und Nacht zugleich, reist, von ihrer Liebe zu Amazan, dem Schäfer, getrieben, rund um die ganze Welt, um ihn wiederzufinden. Ihre märchenhafte Reise führt durch Länder aller politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse, von Tyranneien bis zur konstitutionellen Monarchie, von entwickelten Zivilisationen mit Handel, Kunst und Wissenschaft bis zu Gesellschaften mit nicht viel anderem als Ackerbau und Viehzucht. Es ist äußerst interessant, wie Voltaire die einzelnen Systeme bewertet und alle, die ihn der Sympathie zum Absolutismus verdächtigen, werden hier eines besseren belehrt. Es ist immer wieder überraschend, dass Voltaires Charakterisierungen der einzelnen Völker auch nach 300 Jahren Ihre Gültigkeit nicht verloren haben („Die Deutschen sind die Greise Europas…(S.248)“).Die Reise der Prinzessin endet in Spanien fast mit ihrem Tod auf dem Scheiterhaufen, denn sie fällt der Inquisition in die Hände. Erst das beherzte Auftreten Amazans und besonders seines scharfen Schwertes „Fulminante“, das mit einem einzigen Hieb „Bäume, Felsen und Priester zerspalten konnte“(S.250), rettet sie vor dem qualvollen Feuertod. Die katholischen Priester, bei Voltaire heißen sie „Schnüffler und Anthropokäer*“ werden besiegt und die Herren Inquisitoren landen auf dem für ihre Opfer vorgesehenen Scheiterhaufen. Rundum also ein glückliches Ende.
* das heißt Menschenverbrenner

Und hier, was Freitag-Soloto halluziniert:
Nachdem er sich an der Liebesgeschichte zwischen der Prinzessin und ihrem Geliebten ergötzt, dreht er Voltaire aus dessen Vergleich der unterschiedlichen Gesellschaftssysteme des 18. Jahrhunderts (von denen es ja heute die allermeisten noch gibt) einen Vorwurf, auf den man erst einmal kommen muß: Voltaire, böse, böse, verwende Stereotype! Richtig, Voltaire typisiert, um dann die Unterschiede zwischen den typisierten Gesellschaftssystemen um so schärfer ins Licht zu stellen. Er würde zum Beispiel gesagt haben, daß die Saudis Frauen verachten und nicht: „zwar dürfen Frauen dort in der Öffentlichkeit nicht erscheinen, aber zu hause werden sie sehr geachtet und verehrt“.
Aber Freitag-Soloto weiß bestimmt: „Heutzutage sind solche stereotypen Beschreibungen des Volkscharakters ja nicht mehr so en vogue und, versuchte man sich trotzdem an ihnen, käme sofort der Einwand, ‚dass ja nicht alle so sind’. Insofern muss man irritiert konstatieren, hier auf einen Punkt zu stoßen, bei dem diejenigen, die heute die Aufklärung für sich in Anspruch nehmen, eine diametral entgegengesetzte Position zu dem vertreten, was zumindest ein Gründervater der Aufklärung im Sinn hatte“.

Als nächstes schafft er ohne jeden Beleg die Schlagwerkzeuge „rassistisch, judäophob“ in seinen meditativen Raum und erklärt Voltaire, die „Ikone der Vernunft“, hätte „mehr mit den Rechtspopulisten gemein als mit ihren Gegnern“. Fait accompli! Außerdem ginge Voltaires Aufklärung nicht mit sexueller Befreiung einher. Ausgerechnet Voltaire! Und wo ist der Beleg? Daß in der Liebesgeschichte die Prinzessin an ihrer Liebe festhält und alle anderen Anwärter abweist! Wer über solche „Beweise“ verfügt, braucht sich um die sexuelle Befreiung wahrlich nicht zu sorgen!

Aber sei’s drum. Freitag-Soloto nähert sich einem der Zentralthemen Voltaires, der Kritik an der katholischen Kirche. Indem er feststellt: „Schonungslos entlarvt Voltaire die katholische Kirche als Homoorganisation und stellt sie vor den Augen der Welt bloß“, glaubt er sich zur Schlussfolgerung berechtigt:
Niemand wird behaupten können, Voltaires militante Homophobie, mag er an anderer Stelle auch noch so sehr den sanftmütigen Vegetarier geben, sei in irgendeiner Weise mit der Position der aufgeklärten Menschheit von heute vereinbar.“ Voltaires Haltung zur Homosexualität führte übrigens dazu, daß er sich erfolgreich dafür einsetzte, einen homosexuellen Schriftsteller vor der Todesstrafe zu retten. Voltaires Entlarvung der Katholika als Homosexuellenorganisation, die ja bekanntlich manchem kleinen Jungen die Unschuld geraubt hat (Voltaire möglicherweise inbegriffen) – und das jahrhundertelang! – seine Kritik an der Verlogenheit, Scheinheiligkeit, Unmenschlichkeit einer der mächtigsten Organisationen der Welt, trägt ihm bei Freitag-Soloto also den Vorwurf der Homophobie ein?
Aber nein, der „lässt sich nämlich probehalber darauf ein, die katholische Kirche als Homoorganisation anzusehen“. Und was findet er dabei heraus? Daß sich durch das Zölibat von 1139 die Attraktivität der Kirche für Heterosexuelle minimiert, aber für Homosexuelle erhöht habe! Jegliches Begreifen von dem, was in der katholischen Kirche in Sachen Sexualität vor sich geht, ist in seinem Elaborat einem bodenlosen Genderian gewichen. Und wie es bei Romantik solcher Couleur nicht anders sein kann, schließt sich an diese einzige ‚analytische’ Stelle im meditativen Text eine vorsichtige, aber doch deutliche Rehabilitation der heiligen katholischen Messe selbst an. Oh heilige Simplicitas!
Wer das alles nicht glauben will, lese es selbst. Aber bitte dabei die Nase zuhalten!

Anmerkung von Oktober 2021: Unterdessen hat man den Teilnehmer Soloto und alle seine Beiträge  aus dem Freitag Community Blog gelöscht (oder er ist selbst verduftet).

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Valeria Messalina

Messalina war die dritte Ehefrau Claudius‘. Ihre Eltern Domitia Lepida und Marcus Valerius Messala Barbatus waren Cousin und Cousine. Sie kam um 25 nach Christi zur Welt. Sie heiratete Claudius, den späteren Kaiser von Rom und hatte mit ihm drei Kinder: Claudia, Octavia, Britannicus.
Wie und warum es zur Hochzeit zwischen ihr und Claudius kam, ist nicht bekannt. Bekannt ist nur, daß sie sich über Caligula kennenlernten. Zur Zeit ihrer Hochzeit war Messalina etwa 15, Claudius dagegen fast 50 Jahre alt. Ein gegensätzliches Paar also, denn während Claudius ein von seinen Krankheiten gekennzeichneter, alter Mann war, galt Messalina als herbe Schönheit mit schwarzen, gewellten Haaren, die bereits bei dem ersten Festessen, das Claudius als Kaiser gab, großen Reiz auf die Gäste ausübte. Die Hochzeit fand also um das Jahr 39 statt und bereits Anfang 40 gebar Messalina ihr erstes Kind, Octavia genannt, und schon wenige Monate später, im Februar 41, kam ihr Sohn Britannicus (eigentlich Germanicus) zur Welt. Doch in der Zwischenzeit hatte sich etwas ereignet, das ihr ganzes Leben verändern sollte: Claudius wurde durch den Staatsstreich im Januar 41 Kaiser und sie somit die Frau des wohl mächtigsten Mannes der Welt, der ihr noch dazu vor allem in den ersten Ehejahren hoffnungslos verfallen war.
Innerhalb von zwei Jahren hatte sich das Blatt für Messalina gänzlich gewandelt. Aus dem Mann, den Caligula nur am Leben ließ, um sich über ihn lustig zu machen und der als verblödet galt, war der Kaiser geworden, und sie hatte ihm einen möglichen Thronfolger geboren. Mit 16 Jahren stand sie schon im Zenit der Macht und begann, sich zu langweilen, da das Palastleben nur still vor sich hinlief und ihr Mann viel zu sehr von den Regierungsgeschäften in Anspruch genommen wurde, als daß er sich genug um seine Frau hätte kümmern können. So fing Messalina, die mit einem launischen und impulsiven Charakter ausgestattet, gleichzeitig aber auch unsicher und empfindlich in ihren Gefühlen war, sich zu zerstreuen: Sie gab Bankette und Feste, die schon bald in jeglicher Art zu Orgien ausuferten und ihr den Ruf ungezügelter und unersättlicher Lust gaben. Tatsächlich hatte sie etliche Liebhaber, darunter den Mimen Mnester.
Doch nicht nur in dieser Hinsicht betrog und belog Messalina Claudius: Sie fing an, unter dem Einfluß des griechischen Freigelassenen Narcissus, der eine sehr mächtige Position innehatte, das römische Bürgerrecht zu verkaufen, indem sie ihren Mann, der dies eigentlich nur verdienten Mitgliedern der Provinzen verlieh, zu bestimmten Personen hin beeinflußte, von denen Narcissus dafür Geld kassierte. Auch Gerichtsurteile konnte man in gleicher Weise von den beiden erkaufen.
Aber nicht nur so setzte Messalina ihre Macht ein: Sie ließ im Laufe der Zeit auch viele Menschen töten, tw. aus den nichtigsten Gründen. So mußte ihre Cousine Livilla z.B. nur deshalb sterben, weil sich Messalina von ihr nicht genug beachtet fühlte. Dabei schob sie immer Claudius vor, dem sie einredete, dieser oder jener habe ein Verbrechen wie Ehebruch begangen oder einen Angriff auf ihn vorgehabt, wodurch die Todesurteile einen offiziellen Anstrich bekamen.
Doch trotz ihrer zahlreichen Liebschaften und dem durch das erpreßte Geld möglichen, aufwendigen Lebensstil war Messalina nicht glücklich. Sie war voller Unruhe und Nervosität, und ihr Herz, das sich eigentlich ganz einfach nur nach Liebe sehnte, hatte sich verhärtet. So fing sie an, sich selbst zu erniedrigen: Sie prostituierte sich heimlich nachts unter dem Namen Licisca und verkaufte sich dabei an jeden beliebigen.
Jeder im Volk kannte ihren Lebenswandel. Ihr und dadurch auch Claudius‘ Ansehen sank drastisch. Aber gerade Claudius, der dem ganzen hätte Einhalt gebieten können, reagierte überhaupt nicht. Weshalb? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wußte er nichts über die Schandtaten seiner Frau, zumal er mit Regierungsgeschäften viel zu beschäftigt war und Messalina wußte, wie sie sich ihn vom Hals halten konnte (sie schickte ihm sogar ihre Sklavinnen, damit er sich sexuell mit ihnen und nicht mit ihr befriedigte) und außerdem vertraute er ihr maßlos. Oder er verschloß bewußt vor alle dem die Augen, um seine „intakte“ Familie nicht zu verlieren. Wahrscheinlich ist eine Mischung von beidem, die natürlich auch von seiner Leichtgläubigkeit profitierte. Anders kann man nicht erklären, wieso Claudius auch die schlimmste Schandtat seiner Frau ihm gegenüber nicht vereitelte.
Gaius Silius wurde als der schönste Mann Roms bezeichnet. Messalina verliebte sich unsterblich in ihn. Sie lebte mit ihm im Kreise ihrer Freunde wie ein Ehepaar. Ihre Leidenschaft zu Silius war zerstörerisch, zügellos und skandalös. Um eine ihr genehme Unterkunft für ihn zu besorgen, ließ sie Asiaticus, einen angesehenen Bürger Roms, wegen Ehebruchs zum Tode verurteilen, da er die Gärten des Lucullus (eine sehr schöne Gartenanlage mit Villa) besaß, in die Silius dann auch bald einzog. Doch diese Beziehung zu Silius reichte Messalina bald nicht mehr: Sie wollte ihn heiraten. Diese unmöglich scheinende Vorhaben wurde verwirklicht, als Claudius sich in Ostia aufhielt. Zuvor hatte Messalina ihn zur Scheidung überredet, indem sie ihm einredete, sie habe geträumt, ihr Mann würde sterben. Da die Römer sehr viel Gewicht in Träume legten, bekam es Claudius mit der Angst zu tun. Aber Messalina hatte schon einen „Ausweg“ parat: Sie müßten sich scheiden lassen, so daß sie einen anderen heiraten könnte, der dann als ihr Mann stürbe. Claudius stimmte dieser Idee zu. Als Claudius in Ostia weilte, wurde ihm durch seine Mätressen gesteckt, daß Messalina und Silius einen Mordanschlag auf ihn vorhätten, um selbst die Macht zu übernehmen. Hinter diesem Komplott gegen die beiden stand Narcissus, der inzwischen von Messalina verschmäht worden war und nun Rache nehmen konnte. Diesen Plan zum Mordanschlag hat es tatsächlich gegeben, nur war er so stümperhaft angelegt, daß er nicht funktionieren konnte und von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Nachdem er dies erfahren hatte, eilte Claudius nach Rom zurück, wo inzwischen alle Teilnehmer der Hochzeit bei einem Fest verhaftet worden waren. Der Großteil wurde sofort zum Tode verurteilt wie auch Silius. Messalina aber wollte der Kaiser noch einmal anhören, und es schien fast so, als würde er ihr noch einmal verzeihen. Dies wußte Narcissus aber zu verhindern, indem er Messalina angeblich auf Befehl des Kaisers töten ließ. Als Claudius davon erfuhr, sah er nicht einmal von seinem Essen auf. Dies geschah 48, Messalina wurde also nur 23 Jahre alt.
Claudius heiratete bald darauf auf Anraten seiner Berater seine Nichte Agrippina, deren Sohn Nero, der schon immer beim Volk beliebter war als Claudius‘ Sohn, der nächste Kaiser werden sollte. Seinen eigenen Kindern war kein schönes Schicksal beschieden: Britannicus wurde 55 vergiftet, Octavia, die Nero heiratete, wurde von diesem verstoßen und 62 grausam getötet (Neros nächste Frau erhielt ihren Kopf als „Liebesbeweis“).
So blieb nichts mehr von Messalina als ihr bis in die Gegenwart bestehender Ruf als sittenlose und grausame Kaiserin.

Voltaire: Reisen im 18. Jahrhundert

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Reisen, ein Privileg

„Fortschritt“ ist dem Reisen verwandt, denn wer fortschreitet, entfernt sich vom Bekannten, bewegt sich vorwärts zu neuen Zielen und lässt das Alte hinter sich.

Reisen im 18 Jahrhundert bedeutete zumeist eine ungeheure Horizonterweiterung, die Schiffsreisenden nach Amerika, nach Asien, China, die Handeltreibenden und die von den Pfaden des Kolonialismus oder aus europäischen Schlachtfeldern zurückkehrenden Kriegsleute hatten Dinge zu erzählen, die dem lesenden Bürger phantastisch erschienen, ihre Berichte wurden gedruckt und fanden reißenden Absatz. Reiche Kaufleute und die Familien des Hochadels schickten ihre Nachkömmlinge gezielt auf Bildungsreisen zu befreundeten Geschäftspartnern, in andere Adelshäuser, Reiseliteratur mit den Sehenswürdigkeiten der wichtigsten Städte entstand (zum Beispiel:E.R.Rothens Auserlesene Dencwürdigkeiten welche ein curieuser Reysender in den führehmsten Orten Europae und etlichen anderen in den übrigen Weltteilen zu observieren hat, deren man sich auch sonsten statt eines compendieusen Reyß- oder Zeitungslexici nützlich bedienen kann. Ulm 1749, 708 Seiten). Durch die Verbesserung der Technik – des Straßenbaus, der Fahrzeuge, der Schiffe – verringerten sich die zeitlichen Abstände zwischen den Orten der Welt, das 18. Jahrhundert war gerade auch in dieser Hinsicht die Zeit des großen Fortschritts.

Dass Reisen den Horizont erweitert, bedeutet, dass man aus dem engen Kreis seines Alltags mit all seinen Gewohnheiten – sei es beim Essen, Trinken oder Feiern, aber auch hinsichtlich gesellschaftlicher Gepflogenheiten, auferlegter Zwänge und Verpflichtungen herauskommt und bemerkt, dass es auch anders geht, wodurch einem Stoff zum Vergleichen zuwächst und solches ist wohl auch gemeint, wenn man davon spricht, dass Reisen bildet. Insofern ist Reisen eine Sache, die sich die Herrschenden gerne als Vorrecht reservierten und so haben sie es auch lange Zeit gehalten. Wer nie aus seinem Dorf herauskommt, nichts anderes kennt, als seinen Alltagstrott, wird auch nicht auf den Gedanken kommen, dass es auch anders, vielfach besser, gehen könnte. Deshalb ist heute, zu Zeiten des Massentourismus, eine ganze Branche damit befasst, die Leute so zu lenken, dass sie ihren Urlaub dort am liebsten verbringen, wo es möglichst wenig Anlass zu solchen Vergleichen gibt, „all inklusive“ eben. Und weil auch das nicht immer einwandfrei funktioniert – es gibt immer noch zu viele Schlupflöcher – arbeiten die Machtstrategen, oft im Namen des Umweltschutzes, an einer drastischen Einschränkung der Mobilität für den größten Teil der Bevölkerung.

Reisenecessaire
Reisenecessaire 18.Jhdt. (Dt.Hist.Museum Berlin)

Das war im 18. Jahrhundert selbstverständlich noch nicht notwendig, Reisen war damals ohnehin den Reichen vorbehalten und wer kein Geld hatte und es trotzdem versuchte, musste auf Schusters Rappen schwere Strapazen in kauf nehmen, denn man legte solchen Leuten nicht nur Steine in den Weg…(man lese etwa den Reisebericht von Karl Philipp Moritz, Reisen eines Deutschen in England im Jahre 1782).

Jeder Untertan benötigte zudem eine Erlaubnis der Obrigkeit, wenn er seinen Heimatort verlassen wollte – ganz zu schweigen von den Zugangsbeschränkungen, die ihm von den gewünschten Zielorten auferlegt wurden. Selbst Voltaire saß zwei Wochen in Kleve fest, weil der Passierschein des Königs für die Weiterreise nach Berlin nicht angekommen war. Hielt man die Erlaubnis endlich in den Händen, war es, selbst wenn man mit der Kutsche reiste, für einige angenehmer als für andere, denn das Dienstpersonal nahm gewöhnlich Platz hinter dem Kutscher, Wind und Wetter ausgesetzt, oder – schon besser – im Gepäckraum, Economie-Class sozusagen. So stand all jenen, die kein Geld und keine Protektion hatten und trotzdem weg wollten, oft nur der gefährliche Weg über das Militär offen – auch das kommt einem (wieder!) bekannt vor – häufig genug eine Reise ohne Wiederkehr.

Reisekutsche

Welche Art zu reisen man wählte, hatte aber damals wie heute nicht nur mit dem verfügbaren Geld zu tun, sondern auch mit dem Reisezweck. Wer ganz einfach von A nach B wollte, entschied sich für die schnellste Methode, also für die Fahrt mit der Kutsche oder für das Pferd (wir vernachlässigen an dieser Stelle die Reise mit dem Schiff). Je länger die Strecke, desto überlegener wurde in dieser Beziehung allerdings die Kutsche, denn es gab, zumindest in Frankreich, an den großen Routen alle 25 km Poststationen, wo man die Pferde wechseln konnte und wenn ein Reisender viel Gepäck mit sich führte, gab es zur Kutsche ohnehin keine Alternative. Reisen zu Fuß war für Leute da, die wenig Geld hatten, aber auch für solche sinnvoll, die das Reisen selbst zum Zweck erhoben, die also einfach unterwegs sein, Land und Leute kennenlernen und Kontakte knüpfen wollten. Heute kennen wir den Geschäftsreisenden, der in möglichst kurzer Zeit sein Ziel erreichen, seine Aufgaben abarbeiten und wieder zurückkommen will, den Touristen, der einen Ferienplatz gebucht hat, die Reise selbst nur bucht, um an dieses Ziel zu gelangen, um sich dort zu erholen, dann gibt es Individualtouristen, die mehrere Orte mit jeweils kurzen Aufenthalten hintereinanderschalten und schließlich Menschen, die das Reisen an sich genießen, wenn sie mit ihrem Auto, mit dem Orientexpress oder mit einem Kreuzfahrtschiff unterwegs sind. Stets handelt es sich um eine Beziehung zwischen Reisezweck, Distanz und zur Verfügung stehender Zeit, natürlich auch dem Geld, das einer hat oder nicht hat, die einen das geeignete Fortbewegungsmittel wählen lässt.

Fortbewegungsmittel

„[…] ich versichere Sie, dass keinem von uns möglich war nur eine Minute die Nacht durch zu schlafen – dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! – und die Sitze! – hart wie stein! – von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können! – er war ganz schwierig [schwielig] – und vermuthlich feuer Roth – zwey ganze Posten fuhr ich die Hände auf dem Polster gestützt, und den Hintern in lüften haltend – doch genug davon, das ist nun schon vorbey! – aber zur Regel wird es mir seyn, lieber zu fus zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren.“ (zitiert nach Kardinar 2003, 3)

Der dies schrieb, W. A. Mozart (München, 8.11.1780), hatte Erfahrung mit dem Reisen, wie man sieht, auch in öffentlichen Verkehrsmitteln, denn er war nicht annähernd so wohlhabend wie Voltaire, der aus diesem Grunde die Postkutsche nur im Notfall benutzte und, wenn es ging, in einem eigenen, sehr komfortablen, vierspännigen Fahrzeug reiste. Sein Sekretär Collini hat das Gefährt, das sie bei ihrer Abreise aus Berlin im Jahr 1753 benutzten, so beschrieben:

„Er hatte sein eigenes Fahrzeug, eine große Coupé-Karosse, bequem, gut gefedert überall mit Taschen und Behälter ausgestattet, hintendrauf mit zwei Schrankkoffern und vorne einige kleinere Koffer. Auf dem Kutschbock zwei Bedienstete,… Vier Postpferde oder manchmal auch 6, wie die Wege es zuließen, waren dem Fahrzeug vorgespannt. Sind diese Details auch unbedeutend, zeigen sie doch, wie ein Schriftsteller reiste, der sich ein seinem Ruf und Ansehen entsprechendes Vermögen zu schaffen gewusst hat. Voltaire und ich bezogen das Innere des Fahrzeugs mit dabei zwei oder drei Mappen mit den Manuskripten, auf die er am meisten Wert legte und eine Schatulle mit seinem Gold oder seinen Wechseln und seinen wertvollsten Sachen. (Collini, mon séjour, p.72).

Ziemlich sicher ist, dass Voltaire keine Karosse fuhr, sondern schon die modernere Berline – die stabiler und besser gefedert war. Hier zur Illustration eine Karosse (zu Repräsentationszwecken ausgestattet),

Karosse nobel

und nun zum Vergleich eine Berline:

berline

Bei einem Coupé, wie es Voltaire benutzte, war die Kabine kürzer als bei den gezeigten beiden anderen Modellen und daher nur für zwei Personen geeignet – hatte man weitere Mitreisende, mussten sie (maximal zwei) außen auf der an der Rückseite der Kabine angebrachten Bank sitzen, falls nicht, packte man dorthinauf das Gepäck – wie es Collini in seinem Bericht beschreibt.

Hier die Abbildung eines Coupés:

coupe

.

Soviel zu den Fahrzeugen, wie man sie im 18. Jahrhundert für längere Reisen benutzte, natürlich könnte man noch in die Tiefe gehen, über die Technik der Federung sprechen, der kleinen Räder vorne und der Lenkung, doch werfen wir stattdessen einen kurzen Blick auf die damaligen Straßenverhältnisse: Eine deutliche Verbesserung des französischen Transportwesens und der Straßen trat ab 1738 ein, denn in diesem Jahr wurde in Frankreich das Straßenwesen erstmals in die Hand einer zentralen Behörde gelegt, der Direction des Ponts et Chaussées. Die großen Verkehrsverbindungen ließ ihr erster Direktor, Orry, der später Finanzminister wurde, nach einem standardisierten System überholen und ausbauen. Es beruhte darauf, die wichtigsten, auch militärisch bedeutenden Strecken in der Mitte ca. 6 m breit mit einem Steinbelag zu befestigen und links und rechts davon jeweils einen ebenfalls 6 m breiten verdichteten Streifen mit anschließendem Entwässerungsgraben anlegen zu lassen. Durch diese Maßnahme verkürzten sich die Reisezeiten in Frankreich um bis zu 50%., Voltaire:

„Unter allen modernen Nationen sind Frankreich und das kleine Belgien die einzigen, die Straßen haben, die der Antike ebenbürtig sind“ (Juli 1750)

Mit modernen Kutschen wie sie etwa Voltaire benutzte, waren 60 – 80 km am Tag zu schaffen, aber auch nicht mehr, es sei denn, man fuhr auch die Nacht hindurch…. und auch dann nur, wenn nichts dazwischenkam – als da wären: Achsbruch, aufgeweichte Straßen, schwer zu passierende Steigungen und Überfälle, Krankheit. Hinzu kamen noch ständige Kontrollen, Zollschranken, Straßen- und Brückenmaut, Vorspanngeld, Torgeld…und wir sehen ohnmächtig zu, wie in unserer Zeit die letzgenannten Ärgernisse Stück für Stück wieder eingeführt werden.

Voltaire und das Reisen

Wenn Voltaire reiste, hatte er fast immer die Absicht, an ein bestimmtes Ziel zu gelangen, er reiste nie um des Reisens Willen, – vielleicht mit Ausnahme seiner Reise nach Berlin im Jahr 1750, wo er einige Schlachtfelder besichtigen wollte (Brief an seine Nichte, Mme de Denis): –

Nehmt also zur Kenntnis, dass ich aus Compiègne am 25 Juli abgefahren bin und die Straße durch Flandern genommen habe, um als guter Historiograph und guter Staatsbürger die Schlachtfelde von Fontenoy, von Raucoux und von Laufeldt zu besichtigen. Sie zeigten sich mir aber nicht, denn alles war vom schönsten Weizen der Welt bedeckt und die Flamen und die Fläminnen tanzten so, also ob hier nie etwas geschehen wäre.

Ob er die Schlachtfelder tatsächlich besuchte oder es überhaupt vorhatte, ist nicht bekannt, denn der Brief wurde nachträglich mit der Absicht, ihn zu veröffentlichen, verfasst. Oft genug war Voltaire zum Reisen gezwungen, um sich der Verfolgung oder einer drohenden Verhaftung zu entziehen. Ausgesprochene Bildungsreisen unternahm er nicht. Da er zeitlich kaum eingeschränkt war und genügend Geld besaß, konnte er sich in der Etappe oder am Reiseziel je nach Lust und Laune länger oder kürzer aufhalten. Am ehesten kann man sich seine Art zu reisen vor Augen führen, wenn man sie sich wie die Reisen eines, sagen wir ‚hochangesehenen Vorsitzenden’ einer imaginären weltumspannenden großen Organisation in unserer Zeit vorstellt, eines Präsidenten, der verschiedene Ableger besucht und dort so lange bleibt, wie es der Sache dient. Weltumspannend war die Aufklärungsbewegung des 18 Jahrhunderts zwar nicht, sie beschränkte sich auf gebildete Bürger und sympathisierende Adlige in Europa, in jedem Land gab es aber meist einige hundert Anhänger. Voltaire als ihr führender Kopf besuchte sie und nutzte seine Aufenthalte, um die Sache der Aufklärung zu vertreten, die Anhängerschaft zu erweitern, zu stärken und, wo möglich, um die Gegenseite zu schwächen. Welches Fortbewegungsmittel dabei für ihn auf seinen Reisen zu wählen war, stand für Voltaire außer Frage: für ihn war immer das schnellste Fortbewegungsmittel auch das beste.

Dass das Reisen im 18 Jahrhundert trotz der Verbesserungen im Straßenbau und in der Fahrzeugtechnik ausgesprochen mühsam war, lag auch an den unbrauchbaren Unterkünften, denn es gab meist schmutzige, laute und zudem unsichere Gasthäuser. Kein Wunder, dass Voltaire es vorzog, in den Schlössern der Adligen Unterkunft zu nehmen, sie waren zwar ebenfalls oft ungemütlich und kalt, aber es gab zumindest gutes Essen, manchmal interessante Gespräche, brauchbare Informationen. Außerdem spielte man in den Adelskreisen des 18. Jahrhunderts gerne Theater: was gab es da besseres, als den berühmten Voltaire als Gast zu haben und mit ihm persönlich die aus Paris bekannten Stücke einzuüben – auch eine ideale Gelegenheit für Voltaire, im Sinne der Aufklärung tätig zu sein! Er schickte seinen Diener auf demPferd voraus, der erkundete die Lage und sorgte dafür, dass bei der Ankunft seines Herren die Betten warm waren:

Ich fuhr als Postillon voraus, damit an den Wechselstationen die Pferde bereit waren und man dort nicht warten musste . Es war geplant, in La Chapelle bei Nangis eine Rast einzulegen…Ich wartet nicht an der Wechselstation auf sie, sondern fuhr gleich weiter (bis La Chapelle), wie sie es befohlen hatten. … (In Nangis:) Die Concierge erwartete niemanden und hatte sich im Inneren des Schlosses schlafen gelegt, das auf der anderen Seite des Eingangstors lag, durch einen großen Hof von mir getrennt. So konnte ich rufen, so viel ich wollte, aber niemand antwortete mir. …. (endlich öffnet der Gärtner) … Er weckte sogleich die Bediensteten, zündete in der Küche und in den Zimmern ein großes Feuer an, man holte Täubchen, Geflügel, die man zubereitete und auf Spiesse steckte, dazu gab man alles, was man finden konnte, um müden Reisenden, deren Appetit nicht schlecht sein würde, zu genügen. (nach Longchamp, Voltaires Sekretär)

Voltaire und das Reisen

Nur wenige reisten im 18 Jahrhundert so häufig und so weite Strecken wie Voltaire, das war zwar anstrengend, aber ohne seine Reisen hätte er nicht eine so große Wirkung im Sinne der Aufklärung entfalten können. Trotzdem gibt es keine Äußerung Voltaires, in der er sich positiv über das Reisen ausspricht, meist klagt er über die Beschwerlichkeiten des Reisens, also: die Kälte, denn er reiste oft im Winter, die schlechten Unterkünfte, die Anstrengungen überhaupt, die ihn krank machten und, falls er die Postkutsche benutzte, machten ihm die schlechte Gesellschaft und die Enge zu schaffen.

Zur Illustration übersetzen wir Voltaires Reisebericht aus einem Brief an den Baron von Keyserlingk v. 14.10.1743, er berichtet von einem Unfall auf der Reise von Berlin nach Brüssel, bei dem ihn die eifrigen Helfer auch noch bestahlen:

Je continuais mon voyage Dans la ville d’Otto Gueric, Rêvant à la divine Ulric Baisant quelquefois son image, Et celle du grand Frédéric. Un heurt survient, ma glace casse, Mon bras en est ensanglanté; Ce bras qui toujours a porté La lyre du bonhomme Horace Pendante encore à mon côté. La portière à ses gonds par le choc arrachée Saute et vole en débris sur la terre couchée; Je tombe dans sa chute; un peuple de bourgeois, D’artisans, de soldats, s’empressent à la fois, M’offrent tous de leur main, grossièrement avide, Le dangereux appui, secourable et perfide; On m’ôte enfin le soin de porter avec moi La boîte de la reine et les portraits du roi. Ah! fripons, envieux de mon bonheur suprême. L’amour vous fit commettre un tour si déloyal: J’adore Frédéric et vous l’aimez de même; Il est tout naturel d’ôter à son rival Le portrait de ce que l’on aime.
Enfin j’arrive à minuit dans un village nommé Schaffen-Stadt ou F… -Stadt. Je demande le bourgmestre, je fais chercher des chevaux, je veux entrer dans un cabaret; on me répond que le bourgmestre, les chevaux, le cabaret, l’église, tout a été brûlé. Je pense être à Sodome.—. Enfin, aimable Césarion, me voilà dans la non magnifique ville de Brunswick. Ce n’est pas Berlin, mais j’y suis reçu avec la même bonté.


Ich setzte meine Reise fort in die Stadt des Otto von Gericke*, träumte von der schönen Ulrike** küsste manchmal ihr Bild und das des großen Friedrich Es gab einen Schlag, mein Glas zerbrach Mein Arm voll Blut Dieser Arm, der stets die Leier des guten Horaz getragen hat baumelt noch an meiner Seite. Die Tür durch den Schock aus ihren Angeln gerissen Sprang heraus und flog in Stücke … Ich falle hinterher – eine Menge Volk, Bürgersleute, Handwerker, Soldaten drängen auf einmal alle, reichen mir ihre Hände mit ekliger Gier . Solch gefährliche Stütze, strafbar, hinterlistig; enthob mich schließlich der Anstrengung, Das Kästchen der Königin und die Porträts des Königs bei mir zu tragen, Ah Halunken, die ihr mein höchstes Glück begehrt Die Liebe hat euch zu solch unloyalem Dreh verführt Ich bete Friedrich an und ihr liebt ihn auch es ist ganz normal, dem Nebenbuhler das Porträt dessen zu entwenden, den man liebt. Schließlich komme ich um Mitternacht in ein Dorf namens Schaffenstadt oder Halunkenstadt. Ich frage nach dem Bürgermeister, brauche Pferde und eine Unterkunft. Man antwortet mir, dass Bürgermeister, Pferde, Unterkunft verbrannt seien. Ich denke an Sodom Schließlich, liebster Cäsarion, erreiche ich die wundervolle Stadt Braunschweig. Sie ist nicht Berlin, aber ich werde mit gleicher Güte empfangen.
*Magdeburg
** Ulrike, die Schwester Friedrichs

Voltaire unternahm sieben große Reisen, die ersten beiden nach England und zurück, als er in die Verbannung geschickt wurde, dann die Berlinreisen: 1740 von Den Haag, 1743 und 1750 aus Paris und – mit vielen Unterbrechungen die längste (nach der Flucht aus Berlin) von Leipzig bis nach Genf. Auf seiner letzten Reise im Jahr 1778 legte er immerhin eine Strecke von 430 km in 7 Tagen zurück, sie führte ihn von Ferney bei Genf in sein geliebtes Paris, das er nach 28 Jahren endlich wiedersah. Drei Monate später, am 30. Mai 1778, starb Voltaire in Paris im Alter von 84 Jahren.

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