Sellières

Voltaire in Sellières

Sellières gehört zur Ortschaft Romilly sur Seine bei Troyes.
Die Abtei von Sellières (früher Abbaye de Scellières) war zwar ein richtiges Kloster, aber auch ein hübscher Landsitz des Neffen Voltaires, des weltlich eingestellten Abbé Mignot, der im Kloster Wohnrecht besaß, weil sein Pfarrhaus zerfallen und unbewohnbar war.

In der Kapelle dieser Abtei ist Voltaire am 2. Juni 1778, 3 Tage nach seinem Tod, gegen den ausdrücklichen Willen des Bischofs von Troyes (siehe seinen Brief) bestattet worden. Sein Leichnam war einbalsamiert und  heimlich in einer sechsspännigen Kutsche aus Paris hierher geschafft worden, um ihn dem Zugriff des Klerus zu entziehen, der ihn auf dem Weg nach Ferney vermutete, abfangen und auf den Schindanger werfen lassen wollte.

13 Jahre später, im Jahr 2 nach der Großen Revolution (1791), wird der Leichnam Voltaires per Dekret der Assemblée Constituante am 10. Mai exhumiert, bis zum 5. Juli in die Kirche zu Romilly gebracht und anschließend in einem beispiellosen Triumphzug nach Paris gefahren, um dort am 10. Juli 1791 in der Krypta der Kirche Sainte-Geneviève (von der Revolution in “Panthéon” umbenannt) erneut in einem Ehrengrab beigesetzt zu werden.

Tausende nutzen das Begräbnis zu einer letzten Ehrung Voltaires.

Sellières, heimliches Begräbnis

Grundmauern der Abtei, rechts die Grabplatte

Die restaurierte Grabplatte, unter der man 1778 den Sarg mit Voltaires Leichnam verborgen hatte, wird heute im Haupthaus der ehemaligen Abtei, das sich jetzt in Privatbesitz befindet, noch aufbewahrt. Sonst erinnert hier nichts mehr an Voltaire, die Kapelle ist längst bis auf einige unter dichtem Gras versteckte Grundmauern verschwunden.

Zahlreiche Legenden bearbeiten die Frage, was mit den Gebeinen Voltaires "wirklich" geschehen ist. Die einen behaupten, man habe sie aus dem Panthéon entfernt, andere wollen wissen, dass man aus Sellières das falsche Skelett nach Paris geschafft hätte und 1926, als man bei Umbauarbeiten im Haupthaus der ehemaligen Abtei ein hinter einer Mauer verborgenes Skelett fand, war die Aufregung groß und die Vermutung, es sei das wirkliche Skelett Voltaires, schnell bei der Hand. Bei der Untersuchung des Schädels fand man jedoch keine Spuren der anatomischen Arbeiten, die nach seinem Tod zur Entfernung des Gehirns vorgenommen worden waren.

2. Juni 1778
Beerdigung Voltaires in der Abtei von Sellières. Der Versuch des Bischofs von Troyes, das Begräbnis zu verhindern war vergeblich, Mignot und der Prior des Klosters Sellières waren schneller. Als sie der Drohbrief des Bischofs erreichte, war Voltaire bereits ganz offiziell - in geweihter Erde - beerdigt, da war nichts mehr zu machen...

3. Juni 1778
Aus der Antwort des Priors an den Bischof ergibt sich ein genaues Bild vom Ablauf der Beerdigung.

13. Mai 1791
Der Leichnam Voltaires wird per Dekret der Assemblée Constituante am 10. Mai exhumiert, bis zum 5. Juli in die Kirche zu Romilly gebracht und anschließend in einem beispiellosen Triumphzug nach Paris gefahren, um dort am 10. Juli 1791 im Panthéon begraben zu werden.

Die letzten Wochen im Leben Voltaires schildert ausführlich diese Veröffentlichung.

Sellières, ein Besuch im Jahr 2006

 

Wer heute Sellières besucht, fährt über Troyes nach Romilly, einem kleinen Städtchen auf dem Weg nach Paris, in dessen Gemarkung Sellières liegt. 
Auf normalen Landkarten ist Sellières nicht zu finden, handelt es sich doch um ein mitten im Wald gelegenes einzelnes Anwesen, dessen Klosterdasein heute nur noch Geschichte ist. 
Doch fragen hilft immer: "Le Chateau de Sellières?" Und ein Weg, scheinbar für Holzfäller und in die Wildnis führend, wird einem als Zugang gezeigt. Dort steht:"Privateigentum, Jagd, Zufahrt verboten. Privatweg".
Nach ungefähr 2 km Fußmarsch durch einen lichten Wald gelangt man an ein mit Efeu bewachsenes Haus, malerisch an einem kleinen Teich gelegen. Hier steht eine vom Besitzer selbst gestaltete Voltaire-Statue, die einzige in Romilly.

 

Das Chateau Sellières selbst erreicht man über einen kleinen Waldweg gleich hinter dem Efeu-Haus, es präsentiert sich zunächst bescheiden, erst von nahem erweist es sich als großes, ansehnliches Gebäude mit einer wunderschönen, parkähnlichen Umgebung.Es befindet sich in Privatbesitz und ist der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich, jedoch sind die Besitzer freundlich und zeigen einem gerne die hier aufbewahrte Grabplatte. Einmal im Jahr wird außerdem ein Tag der offenen Tür veranstaltet.

 

 

Ein Besuch in Romilly selbst lohnt sich nicht unbedingt. Dort steht zwar die Kirche, in der man die Exhumierung von Voltaires Leichnam zelebrierte, im Zustand dauernder Renovierung, Nichts erinnert hier an Voltaire.

Die Vereinigung der Heimatfreunde von Romilly hat eine sehenswerte Ausstellung zum Thema Voltaire und Sellières organisiert, wobei das Begleitheft zur Ausstellung leider in der Versenkung verschwunden ist. Nicht einmal die öffentliche Stadtbibliothek in Romilly verfügt über ein Exemplar. Aus Troyes, wo die Ausstellung wiederholt wurde, war schliesslich eine Antwort zu erhalten.

Nicht weit vom Kirchplatz findet man eine antifaschistische Gedenkstätte am ehemaligen Gestapo Hauptquartier, wie man sie wahrscheinlich in ganz Deutschland vergeblich suchen müsste (dies zum Thema "gelebter" versus  "verordneter" Antifaschismus).

Übersetzung:
- (oben links)  In diesem Gebäude, Sitz der Gestapo von 1940 - 1944 wurden Widerstandskämpfer und Patrioten gefoltert,
  feige hingerichtet (es folgen die Namen der Opfer)
- (unten links): 22.8.1944   22.8.1994 50 Jahre danach Romilly erinnert sich
- (unten Mitte): 1945  -   2005.  60. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager und des Sieges über den Nazismus. 
  Zum Gedenken an die Erschossenen, Deportierten, Internierten und Widerstandskämpfer die für Frankreich gestorben sind. 
  Die Stadt Romilly vergisst nicht.
- (oben rechts): Ehre den Deportierten, die in den Konzentrationslagern der Nazis gestorben sind 1940 - 1945. Es folgen die Namen
- (unten rechts): 1945 -  1995. Befreiung der Nazi-Deportationslager. Die Stadt Romilly ehrt Ihre Märtyrer.

Ein sehr hübsches Hotel findet man in Romilly, das Hotel de Nicey, mit sehr freundlicher Leitung, hier erhält man auch alle nötigen Auskünfte zu Sellières.

Schwetzingen

Schwetzingen

Als Sommerresidenz des Mannheimer Hofes ist Schwetzingen  sehr eng mit der Regierungszeit (1742 -1799) Kurfürst Carl Theodors verbunden, der natürlich Versailles und die französische Gartenarchitektur als Idealbild einer 'richtigen' Schlossanlage vor Augen hatte und das Schloss zu einer präsentablen Sommerresidenz mit prächtigem Garten umgestaltete.
 
Am 15. Juni 1753, kurz bevor Voltaire in Begleitung seines Sekretärs Collini aus Frankfurt in Schwetzingen ankam, wurde dort die neue Opernbühne mit Ignaz Holbauers Oper Il figlio delle selve (Der Sohn der Wildnuß) eingeweiht. Die Opernbühne war mit nur 150 Plätzen ein relativ kleines Hoftheater, aber mit neuster Bühnentechnik ausgestattet.

Von Voltaire führte man auf:

Literatur  zu Schwetzingen:

- Stavan, Henry, Anthony, Kurfürst Karl Theodor und Voltaire, Mannheim: Gesellschaft der Freunde Mannheims, 1978, 38 S.

- Die Internetseite des Schlosses: www.schloss-schwetzingen.de

- Silke Leopold, Bärbel Pelker, Hofoper in Schwetzingen. Musik, Bühnenkunst, Architektur. Heidelberg 2004 (Carl Winter), 448 S., ein wunderschön gemachtes, informatives und sehr reich bebildertes Werk. 4°

- A.Wieczorek, H.Probst, W.König, Lebenslust und Frömmigkeit, Kurfürst Carl Theodor (1724 - 1799), Handbuch und Ausstellungskatalog, Regensburg 1999 (Pustet), 2 Bd, 434 S,, 520 S.

Schwetzingen, am Hofe Karl Theodors

28.Juli 1753
Voltaire, auf seiner Flucht aus Preußen, erreicht Schwetzingen nach kurzem Aufenthalt in Mannheim. Bei allerhand Hofvergnügungen zu seinen Ehren erholt er sich gut von den bösen Erfahrungen in Berlin und Frankfurt.  Kurfürst Karl Theodor hätte Voltaire nur zu gerne an seinen Hof gebunden, aber Voltaire reist, ernüchtert durch seine Erfahrungen mit Friedrich II. in Berlin, am 14. August 1753 nach Straßburg weiter.

Juli 1758
Ein zweites Mal besucht Voltaire den Kurfürsten im Jahr 1758, Anfang Juli. Bei diesem Treffen geht es auch um die Regelung der geschäftlichen Beziehungen, denn Voltaire gewährt dem Kurfürst ein beträchtliches Darlehen in Höhe von 130.000 Livres gegen eine Leibrente für sich und seine Nichte. Zu seinen Ehren spielt man Der Fanatismus oder Mahomet, der Prophet. Während der drei Wochen in Schwetzingen arbeitet Voltaire außerdem an Candide, möglicherweise hat er Carl Theodor daraus vorgelesen. Er verlässt Karl Theodor am 5. August und ist am 7.August wieder in Straßburg.
Es entwickelt sich eine lockere Freundschaft zwischen Karl Theodor und Voltaire. Voltaire schickt Drucke und Abschriften seiner Werke, Karl Theodor erweist Voltaire diverse Freundschaftsdienste. Auf Empfehlung Voltaires werden an seinem Hof aufgenommen:

  • Collini als  Privatsekretär (1759 ),
  • ein Schutzbefohlener Voltaires als Pastor (1761),
  • Paul Henri Mallet, (1730 - 1807), ein Genfer Historiker (1761),
  • der Sohn des Inquisitionsopfers Jean Callas, Juwelier (1765).

1761
Karl Theodor lässt die Henriade ins Deutsche übertragen (v. J. Chr. Schwartz). 

1762
Der Kurfürst bittet Voltaire die Regie seines Theaterstücks Olympie zu übernehmen, Voltaire kommt nicht und schickt sstattdessen Collini, der jetzt in Schwetzingen lebt, eine ausführliche Regieanleitung. Es wird eine äußerst spektakuläre Aufführung, in der Schlussszene entfacht man sogar einen Scheiterhaufen mit echten Flammen, gefährlich, aber dank der Ausstattung des Theaters durchführbar. Collini, am Hofe als 'Geheimsekretär' des Kurfürsten angestellt, berichtet Voltaire begeistert vom Erfolg des Stücks. 

1763
Karl Theodor gründet die Mannheimer Akademie der Wissenschaften. Ehrenmitglieder werden u.a. Voltaire und der Baron d'Holbach. 

1764
Der letzte Brief Carl Theodors an Voltaire datiert aus dem Jahr 1764. Der Kontakt schläft ein, vielleicht, weil der Kurfürst jetzt mit Collini einen Weggefährten Voltaires direkt an seiner Seite hat, der ihn mit den neuesten Nachrichten versorgt.

1769
Karl Theodor gibt eine Münze zu Ehren Voltaires heraus.

Ein Besuch in Schwetzingen (2006)

Das Schwetzinger Schlosstheater ist dank umfassender Renovierungsarbeiten ab 1973 für über 500 Besucher geeignet. Damit ist es eines der wenigen Theater des 18.Jahrhunderts, die bis heute bespielbar sind (außerdem: Gotha, Ludwigsburg).

Das Schloss ist zentraler Ort der jährlich im Frühjahr stattfindenen Schwetzinger Festspiele, das neben barocken und klassischen Opern auch moderne Werke aufführt.
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Öffnungszeiten des Schlosses: täglich von 9 - 16:30 Uhr, im Sommer bis 19.30 Uhr. Die Innenräume nur mit Führung.
www.schloss-schwetzingen.de.

Sceaux

Voltaire in Sceaux

 

Sceaux, Hauptgebäude und Orangerie

Sceaux war eine der schönsten Schlossanlagen des 17. und 18. Jahrhunderts. Von Colbert, Finanzminister unter Ludwig XIV., in Auftrag gegeben, von Le Nôtre, dem großen Gartenbauarchitekten Frankreichs, konzipiert, war Sceaux neben Versailles so etwas wie die festliche Mitte der Pariser Gesellschaft. 

Ludwig der XIV. schätzte die Gärten von Sceaux als "die schönsten Europas". 1685 feierte man in Anwesenheit des Sonnenkönigs die legendären "Weißen Nächte von Sceaux" mit Feuerwerk, Tanz und dem extra von Lully komponierten Divertissimento "Die Idylle des Friedens". In Sceaux wird der Schriftsteller Voltaire entdeckt, denn die Gräfin von Maine (1676 - 1753), eine hochgebildete Frau, die der Familie Colbert das Schloss 1699 abgekauft hatte, war ihm wohl gesonnen und half ihm mit ihren weitreichenden Beziehungen.

Sceaux, Entdeckung und Versteck

1729 im August
Voltaire reist mit dem Herzog von Richelieu nach Sceaux. Er schreibt ein Gedicht an Bertrand-René Pallu, Berichterstatter beim Staatsrat, seinen langjährigen Freund und beklagt, daß es in Plombières ständig regnet, nur alte Leute gibt und es an Sauberkeit mangelt.

1716 Als junges Talent trägt Voltaire seine Tragödie Ödipus im Kreis der Gräfin von Maine vor. Sie lässt seine Stücke in ihrem Theater aufführen.

1747, im Oktober 
Die Gräfin schützt Voltaire vor der Rache des königlichen Hofes, indem sie ihn in einem geheimen Zimmer ihres Schlosses versteckt. Voltaire hatte Emilie, die am Spieltisch der Königin bereits große Summen verloren hatte, in englischer Sprache zugeflüstert: "Hören Sie auf, sehen Sie denn nicht, dass Sie mit Schurken spielen?". Diese Unachtsamkeit wäre ihn teuer zu stehen gekommen, denn die Äußerung wurde der Königin hinterbracht - hätte er nicht einflussreiche Freunde gehabt - und hätte nicht Emilie ihre 84.000 Pfund Spielschulden entrichtet. Voltaire nutzt die Zeit auf Schloß Sceaux und schreibt an seinem Roman Zadig, aus dem er ihr während seines unfreiwilligen Aufenthaltes vorliest und ihn der Gräfin widmet.

1747, im Dezember 
Voltaire kann sich endlich wieder öffentlich zeigen und veranstaltet sogleich in der Orangerie von Sceaux, zum Missfallen der Gräfin von Maine, die Großveranstaltungen nicht mehr liebt, ein opulentes Theaterfest mit einer Unmenge von geladenen Gästen. 

Ein Besuch in Sceaux (2006)

Der Park von Sceaux liegt ganz in der Nähe von Paris, mit der Bahn braucht man gerade einmal 20 Minuten, um hierherzukommen. Das frühere Schloß steht nicht mehr, nach der Revolution diente es noch als Kunst- und als Landwirtschaftsinstitut, 1798 stand es zum Verkauf und wurde anschließend abgerissen.

Die Orangerie, das 90 Meter lange Überbleibsel, wurde 1870 im deutsch-französischen Krieg schwer getroffen, so dass heute nur noch ein Flügel steht.

In den Jahren 1856 -1862, als der Adel Morgenluft witterte,  entstand ein im Vergleich zum früheren Schloss bescheidener Neubau, der heute noch steht und ein Museum beherbergt. Das Museum widmet sich mit zahlreichen Exponaten der Umgebung von Paris (Ile de France) des 19. Jahrhunderts und der Geschichte des Parc de Sceaux. Einige Räume zeigen interessante Porzellanstücke aus der Manufaktur der Madame du Maine.

Sehenswert ist der Park, eine wunderschöne Anlage, die, von Pappeln gesäumt, nach Osten hin sanft abfällt wie um die ersten Sonnenstrahlen des Tages zu begrüßen, auf der Rückseite einen phantastischen Blick auf Paris ermöglicht. Für deutsche Besucher ungewohnt ist die freundliche Berücksichtigung von Vierbeinern, für sie sieht der Park einen eigenen Bereich vor, wo auch Menschen ohne eigenen Garten ihre Hunde frei springen lassen können.

Öffnungszeiten des Museums: täglich außer Dienstags von 9 - 18 Uhr. Öffentliche Verkehrsmittel: RER, Linie B, Station  Bourg la Reine. Mehr über Park und Museum, auch einige historische Ansichten,  findet man auf der offiziellen Internetseite des Parks von Sceaux http://parc.de.sceaux.free.fr.

Saint Ange

Voltaire in Saint Ange

Saint Ange, Reste d. Gebäude und Park

Das (zerfallene) Schloß Saint Ange, liegt ca. 30 km südwestlich von Fontainebleau, nahe dem Ort Villecerf. Erbaut wurde es unter König Franz I. (Förderer der Künste, auch das berühmte Schloß Chambord stammt von ihm, 1494 - 1547).und war eine klassische Sommerresidenz des 16. Jahrhunderts in lieblicher, ländlicher Umgebung und in unmittelbarer Nähe zu Fontainebleau, wo sich der Hof aufhielt und sich das gesellschaftliche Leben Frankreichs abspielte. Seit 1680 gehörte der Landsitz dem ehrbaren Louis Urbain Lefèvre de Caumartin, einem Freund von Voltaires Vater. So lag es nahe, dass Voltaire 1714 von seinem Vater nach Saint Ange geschickt wurde, um dort, fern von den freizügigen Gedanken des Temple  auf den rechten Weg zu gelangen. Caumartin kannte aus seiner Zeit als Intendant der Finanzen unter Ludwig XIV. die intimsten Geheimnisse des französischen Hoflebens, besaß ein hervorragendes Gedächtnis und war so der ideale Mentor für den jungen Voltaire. Seine authentischen Berichte waren Quellen und Inspiration für zwei der wichtigsten Werke Voltaires, das Epos Henriade und das epochale Geschichtswerk Le Siècle de Louis XIV."

Saint Ange, Voltaire und Caumartin

Die Schloßanlage Saint Ange um 1700, Bibliothèque Nationale

1714
Voltaire auf Geheiß seines Vaters in Saint Ange geschickt, um ihn aus dem Einfluss der freizügigen Gedanken des Temple zu bringen.

 

1717
Im Jahr 1717 hält sich Voltaire dann ein zweites Mal in Saint Ange auf (Caumartin stirbt 1720), diesmal, um sich zu entspannen und ein letztes Mal von den Lebenserinnerungen des alten Mannes, genannt 'Caumartin der Große', zu profitieren.

Ein Besuch in Saint Ange (2005)

Saint Ange ist nahezu vergessen, weite Teile der ehemaligen Schlossanlage sind von Efeu und Farnen überwuchert, ein Nebengebäude ist bewohnt, weitere werden scheinbar nach und nach restauriert. Sanfte Hügel und saftige Wiesen prägen die Umgebung, eine Parkphantasie zeugt vom Wunsch der heutigen Eigentümer,  an den Glanz der alten Tage anzuschließen.

Wer im Touristikzentrum von Fontainebleau nach Saint Ange fragt, erntet Unverständnis, zuviel verlangt, durch ein, zwei Klicks im Internet unter "Voltaire, Saint Ange" nach dem Ort zu suchen - getreu der Regel, dass, wo viele Touristen sind, der Service schlecht ist, weil jeder ohnehin nur einmal kommt. Immerhin, das nächste Internetcafé bekommt man getreulich beschrieben, wenn auch das falsche, längst geschlossene. Den halben Weg zurück, endlich am geöffneten "Cybercafe" angekommen, ist der richtige Ort leicht gefunden - es ist Villecerf, ein halbe Autostunde von Fontainebleau entfernt (Hätte man natürlich auch bei René Pomeau nachlesen können).

Auch in Villecerf gibt es keinen Hinweis auf Saint Ange, nur ein Altenheim wird angezeigt, glücklicherweise liegt es in der selben Richtung und die riesigen Festungsmauern direkt an der Straße zeigen unzweifelhaft die Grenzen des früheren Schlosses. Der Eingang ist nicht verschlossen, ein breiter Weg führt auf die Ruine des früheren Zentralgebäudes zu, das sich, mit Plastikplanen abgedeckt, dem Besucher wie ein Raumschiff vor dem Start entgegenstellt. Natürlich darf man nicht einfach herumspazieren, Privatbesitz eben, aber da hier nicht viele Besucher herkommen, erhält man die Erlaubnis nach einem Telefonanruf beim Grafen Roy ohne weiteres.

Saint Ange war früher eine wunderschöne Anlage, die leider der französischen Revolution zum Opfer fiel und danach als Steinbruch für die umliegenden Dörfer diente - zu holen gab es da nicht wenig.
An den Aufenthalt Voltaires erinnert nichts mehr, eben sowenig an den verdienstvollen Marquis de Caumartin.  Allerdings findet sich im Internet eine Seite (in ständiger Rekonstruktion) der Freunde von Saint Ange, die auch an das Leben René Hubert Nicolas, Marquis de Roys aus der Familie der heutigen Eigentümer erinnert. De Roys war leitend in der Résistance tätig und starb im Alter von nur 47 Jahren 1945 im Konzentrationslager Ellrich. 

Prangins

Voltaire in Prangins

Die Gemeinde Prangins liegt ziemlich genau zwischen Lausanne und Genf, etwa eine halbe Autostunde von beiden Städten entfernt. Mit seiner harmonischen Lage direkt am See (Lac Leman) ist das Schloss Prangins einer der schönsten Orte in Europa. Vielleicht wäre es Voltaires ständiger Aufenthaltsort geworden, wenn er nicht mitten im Winter (14.12.1754) dort angekommen wäre.
Mit seiner bezaubernden Umgebung wäre das Schloß der ideale Aufenthaltsort für den nach Ruhe suchenden Voltaire gewesen.

Zur Geschichte des Schlosses:

1723 erwarb der Bankier Louis Guiguer (1675 -1747) das  direkt am Genfer See gelegene, aber verfallene Schloß Prangins mit allen Ländereien. 

Portrait des Baron Guigier, des Gründers von Schloß Prangins (Ausschnitt aus einer Tafel im Schloßgarten)

Aus der Ruine wurde im Lauf der Zeit ein stattliches Anwesen, das bis 1814 im Besitz der Familie blieb. Im Jahr 1873 ging das Schloß an die Herrnhuter Brüdergemeine, eine Religionsgemeinschaft, der wir in Gotha schon einmal begegnet sind, wo ihr die mit Voltaire befreundete Dorothea von Gotha Altenburg zum Ärger der etablierten Kirche erlaubte, sich in Neudietendorf anzusiedeln.

Heute beherbergt das Schloss das sehenswerte Schweizer Nationalmuseum mit dem Schwerpunkt Geschichte der Aufklärung.

Prangins, kalte Schönheit

Prangins: Blick auf den See

1754 im Dezember
Voltaire kommt mit seiner Nichte Marguerite Denis und seinem Sekretär Collini mitten im Winter nach Prangins, ein alleinstehendes Schloß, unbewohnt, kalt. Erst nach und nach engagiert Madame Denis 9 Angestellte und bringt mit ihnen dem Hauswesen Leben bei. Unter diesen Angestellten befindet sich auch der damals erst 15 jährige Jean-Louis Wagnière, der später an die Stelle Collinis tritt und zu Voltaires  treuestem Sekretär und lebenslangem Begleiter wird. In der feuchten Kälte leidet Voltaire an rheumatischen Anfällen, trotzdem überarbeitet er sein Werk Louis XIV und bereitet die Herausgabe seiner Universalgeschichte (Essai sur les moeurs) vor.

Die Hauptbeschäftigung dürfte für ihn aber die Sondierung der Genfer Umgebung nach geeigneten Immobilien gewesen sein, denn Madame Denis will Prangins so schnell wie möglich verlassen. Bedauerlicherweise gibt Voltaire den Klagen seiner Nichte nach.

1755
Voltaire kauft Anfang 1755 über einen Strohmann 'Les Delices' ganz in der Nähe von Genf. Bedauerlich, weil Prangins der ideale Aufenthaltsort für den nach Ruhe suchenden Voltaire gewesen wäre.

Ein Besuch in Prangins (2010)

Prangins ist heute ein wunderschönes Museum (das schweizerische Nationalmuseum der Romandie) in einer traumhaften Umgebung.
Jedes lohnte für sich einen Besuch, beides zusammen ist ein unvergessliches Erlebnis. Von Lausanne aus bis Prangins ist es nur eine halbe Stunde auf der Bundesstrasse, etwas länger, aber schöner, entlang des Genfer Sees (Lac Leman).
Das Schloß wurde im Stil des 18. Jahrhunderts hergerichtet, die Räume sorgfältig restauriert, die Außenanlagen nach vorhandenen Vorlagen rekonstruiert. Es gibt einen Gemüsegarten wie im 18. Jahrhundert, mit vielen Kräutern und seltenen Pflanzen, im Park führen informative Tafeln durch die Geschichte des Hauses und der Umgebung. 
Und nicht zu vergessen: ein kleines Museumsrestaurant bietet dem Museumsbesucher mit frischem Kuchen und einfachen, aber erlesenen Speisen willkommene Gaumenfreuden. Weitere Informationen auf der sehr informativen Seite des Landesmuseums in Prangins:http://www.nationalmuseum.ch/d/prangins/index.php

Plombières

Voltaire in Plombières

Plombières, Der Markt und die Badeanstalt Bain Stanislas

Plombières war bis ins 19. Jahrhundert hinein ein mondäner Badeort mit natürlichen Thermalquellen und Wassertemperaturen bis zu 80°. Hier trafen sich die führenden Gesellschaftskreise Frankreichs, erholten und - manchmal - kurierten sich von den übermäßigen Belastungen der ausschweifenden Feste. Hier war alles, was Rang und Namen hatte, versammelt, noch heute zeugt die Erinnerungstafel am Bain Stanislas, dem ältesten Bad der Stadt (die römischen Anlagen einmal ausgenommen) von den berühmten Gästen: Montaigne, Kardinal Rohan, Marechal du Belle-Isle, die Töchter Ludwigs XV., Marechal Ney und Napoleon III. Auch für Voltaire waren Plombières und seine Wasser wie eine Metapher für alles was gesund macht: in über 100 Briefen erwähnt er den Badeort.
Plombières ist heute ein sehr freundliches Städtchen, das ersichtlich unter dem Niedergang des Bäderwesens im Zeitalter des Großtourismus leidet: die mächtigen Hotels sind zum Teil schon geschlossen, stehen leer, andere warten auf die längst fällige Renovierung, viele - und sehr schöne - Häuser stehen zum Verkauf. Wenn man einen Wohnort fürs Alter suchte - hier wäre man gut aufgehoben. Das Bäderwesen prägt noch wie früher das Geschehen: überall zeigen sich Leute in Bademänteln, dringen die heißen Dämpfe aus den Fenstern, riecht es in den Strassen nach Heilkräutern.

Plombières, die heißen Quellen

 

Die Unterkunft Voltaires in Plombières trägt natürlich seinen Namen

1729 im August
Voltaire reist mit dem Herzog von Richelieu nach Plombières. Er schreibt ein Gedicht an Bertrand-René Pallu, Berichterstatter beim Staatsrat, seinen langjährigen Freund und beklagt, daß es in Plombières ständig regnet, nur alte Leute gibt und es an Sauberkeit mangelt.

1754 am 3. Juli 
Voltaire kommt aus Senones nach Plombières und trifft dort seinen Freund d`Argental und Mme Dénis, seine Nichte. Die Kur, nach seinem Brief an Dom Calmet vom 16. Juli aus Plombières zu urteilen, hatte nicht sehr positiv bei ihm angeschlagen:

Ich fand bei Ihnen obendrein mehr Hilfe für meine Seele als ich sie in Plombières für meinen Körper finde. Ihre Werke und Ihre Bibliothek haben mehr zu meiner Bildung beigetragen als die Wasser von Plombières zu meiner Gesundheit. Man führt hier übrigens ein etwas bewegtes Leben, was mir die glückliche Ruhe noch wertvoller macht, die ich mit Ihnen genossen habe.

Trotzdem empfiehlt er Plombières mehrere Male an seine Freunde. Ende Juli reist er zurück nach Colmar.

Ein Besuch in Plombières (2002)

 

 

Plombières ist heute ein sehr freundliches Städtchen, das ersichtlich unter dem Niedergang des Bäderwesens im Zeitalter des Großtourismus leidet: die mächtigen Hotels sind zum Teil schon geschlossen, stehen leer, andere warten auf die längst fällige Renovierung, viele - und sehr schöne - Häuser stehen zum Verkauf. Wenn man einen Wohnort fürs Alter suchte - hier wäre man gut aufgehoben. Das Bäderwesen prägt noch wie früher das Geschehen: überall zeigen sich Leute in Bademänteln, dringen die heißen Dämpfe aus den Fenstern, riecht es in den Strassen nach Heilkräutern.

Office du tourisme, place Maurice Janot - 
BP1 88370 Plombières le Bains 
tel. 0033 3 29 6601 30 
fax 0033 3 29 6601 94
www.vosgesmeridionales.com 
email officedutourisme@vogesmeridonales.com

Moyland

Voltaire in Schloß Moyland

zusammengestellt von Monika Gockel, Mitglied des Fördervereins Museum Schloß Moyland e. V.

Schloß Moyland, Photo: Monika Gockel

Am 11. September 1740 reist Voltaire aus den Haag an, um sich nach der langjährigen Brieffreundschaft mit Friedrich II. zu treffen.

Schloss Moyland liegt am Niederrhein in unmittelbarer Nähe von Kleve, ungefähr 23 km entfernt von der niederländischen Universitätsstadt Nimwegen. Die heute noch gültige Grundgestalt des Schlosses - ein enger, von vier Flügeln und wuchtigen Ecktürmen umschlossener Innenhof - entstand im 15. Jahrhundert. Im 17. Jahrhundert erhielten die Zinnentürme barocke Hauben und an die Stelle der Schiessscharten wurden hohe Fenster gebaut.

Die Burg wandelte sich zu einem Landschloss und war von 1695 bis 1767 im Besitz des preussischen Königshauses. 1766 wird Friedrich II Schloss Moyland verkaufen -Voltaires Idee, dort eine Art Gelehrtenrepublik zu errichten, hatte sich zerschlagen.

Der niederländische Adeligen und Unternehmer Jonkheer Adriaan Steengracht Herr van Souburg auf Zeeland kaufte das das durch Geldmangel und Schäden im Siebenjährigen Krieg heruntergekommene Schloss. Es blieb im Besitz der Familie Steengracht bis 1990. Der Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner wurde 1854 mit dem Umbau des Schlosses im neugotischen Tudorstil beauftragt. Danach diente Moyland der Familie Steengracht ununterbrochen als Wohnsitz.

In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges war das Schloss Sitz des britischen Armeestabs, der sich im Keller einquartiert hatte, 1945 kam sogar Winston Churchill zu Besuch. Der letzte Steengracht auf Moyland war Gustav Adolf Graf Steengracht von Moyland, Stellvertreter Ribbentrops während der Nazizeit und führender SA-Mann. Er war sehr wahrscheinlich im Anschluß an die Wannseekonferenz an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung beteilgt. Man hat ihn 1949 zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt, aber schon 1950 entlassen. Er lebte bis 1969 auf Schloß Moyland.

Anschließend verfiel das Schloß immer mehr und erst 1987 hat die Siftung Schloß Moyland das Gebäude restauriert und zum Museum umgebaut.

Moyland - erste Begegnung mit Friedrich

Skizze von 1731 (C.Pronk)

1736
Am 8.August: Erster Brief Friedrichs an Voltaire, anschließend rege Korrespondenz, in denen sich die beiden gegenseitig mit Komplimenten überhäufen.

1740
Kurz nach seiner Krönung zum König im Herbst 1740 tritt Friedrich eine Reise durch die preussischen Rheinprovinzen an mit dem Ziel, Voltaire in Brüssel zu treffen. Eine fiebrige Erkrankung hindert ihn am Weiterreisen, er bittet Voltaire, nach Schloss Moyland zu kommen und vermeidet damit auch ein Zusammentreffen mit Emilie du Chatelet in Brüssel. Am 11. September trifft Voltaire, von Den Haag kommend, wo er den “Antimachiavell” Friedrichs korrigierte (dessen Druck er eigentlich verhindern sollte), in Schloss Moyland ein. Er liest Friedrich aus seiner religionskritischen Tragödie “Le Fanatisme ou Mahomet le prophète vor, an der er noch auf der Fahrt nach Moyland gearbeitet hatte.
Friedrich berichtet:

Ich habe Voltaire gesehen, auf dessen Bekanntschaft ich so neugierig war. Aber ich sah ihn, als ich Fieber hatte (..). Er besitzt die Beredsamkeit Ciceros, die Liebenswürdigkeit des Plinius, die Weisheit Agrippas. Sein Geist arbeitet unaufhörlich. Er hat uns Mahomet vorgetragen, eine bewunderungswürdige Tragödie; wir waren vor Entzücken außer uns, ich  kann nur bewundern und schweigen
.

Während seines Aufenthaltes auf Schloss Moyland  wird Voltaire in eine der ersten aussenpolitischen militärischen Handlungen Friedrichs verwickelt: die Bürger von Herstall bei Lüttich, seit Friedrich Wilhelm im Widerstand gegen die preussische Vorherrschaft, werden vom Bischoff von Lüttich unterstützt (aufgewiegelt?) und weigern sich, die vom neuen König geforderte Summe von 20.000 Taler zu zahlen und ihm den Treueeid zu leisten. Voltaire nimmt Partei für Friedrich und schreibt eine Stellungnahme (in der Gazette d'Amsterdam erschienen), in der er die Rechte Preussens gegenüber der katholischen Partei nachweist. Herstall wird belagert und  zur Unterwerfung gezwungen, der Bischof muß nachgeben (sehr schön nachzulesen in: Thomas Carlyle, Friedrich der Große)

14. September 1740
Voltaire verlässt Moyland und kehrt nach Den Haag zurück, mit der Absicht, eine umfangreich korrigierte Version von Friedrichs Anti-Machiavell zu veröffentlichen.
Bis zum ersten Treffen der beiden hatte Voltaire in seiner Berichterstattung  ausdrücklich die menschlichen Eigenschaften Friedrichs und seine literarischen Qualitäten hervorgehoben:

Je l’appelle notre souverain, parce qu’il aime, qu’il cultive, qu’il encourage les arts que nous aimons …. Sa passion dominante est de rendre les hommes heureux, et de faire fleurir chez lui les belles lettres.” (Brief an Cideville 28.6.1740)

In den unter dem frischen Eindruck der Zusammenkunft geschriebenen Briefen Voltaires deutet sich in der Gegenüberstellung des kunstfreudigen Mäzens  (charme de la société) und des Beherrschers eines von den gewaltigsten militärischen Machtmitteln getragenen Staates (armée de cent mille hommes) bereits die Möglichkeit einer Entfremdung an.

1766
Voltaire fasst kurze Zeit den Plan, im Rheinland unter der Obhut des preussischen Königs eine Art "Philosophenkolonie" zu gründen, aber die in Frage kommenden Zeitgenossen reizt eine Übersiedlung von Paris an den Niederrhein nicht. Friedrich II. kommentiert Voltaires Idee so:

Ich sehe, dass Ihnen die Gründung der kleinen Kolonie, von der sie mir erzählt haben, am Herzen liegt (…) Dieses Haus Moyland bei Kleve, von dem Sie mir erzählen, wurde von den Franzosen verwüstet und soweit ich mich erinnere, wurde es irgendwem übereignet, der sich daran gemacht hat, es wieder seinem alten Zwecke zuzuführen.”

Moyland heute (2010)

Schloss Moyland 1988 (nach Brues, Schloß Moyland)

Die Ruine verfiel immer mehr bis 1987 der Förderverein "Museum Schloss Moyland" gegründet wurde mit dem Ziel, das Schloss wieder aufzubauen und dort ein Museum der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts einzurichten Am 11. Juli 1990 erfolgte die Gründung der "Stiftung Schloss Moyland", Baron Adrian von Steengracht brachte das Schloss, die Nebengebäude und den Park ein und die Brüder Hans und Franz Joseph van der Grinten ihre in 50 Jahren zusammengetragene Kunstsammlung, die aus etwa 60.000 Stücken besteht (Skulpturen, Plastiken, Malerei, Grafik, Zeichnungen, Fotografien, Objektkunst und Kunsthandwerk), Schwerpunkt der Sammlung sind ca. 4000 Werke des in Kleve-Rindern aufgewachsenen Joseph Beuys. Dritter Bestandteil der Stiftung ist das Joseph-Beuys-Archiv mit nahezu 100.000 Archivalien.

Der Gesamtkomplex umfasst außer Schlossgebäude und dem Park noch zwei Vorburgbauten, die ehemals als Pferdestallungen, Kutschenremisen und Wohnungen dienten. Zur Geschichte von Schloss Moyland  gibt es in einem Turm im Erdgeschoss einen kurzen Überblick in Texten und Bildern, u.a. auch der Stich von Pierre Charles  Baquoy nach einem Gemälde von Nicolas André Monsiaux, das Voltaire am Tisch sitzend mit einer Feder und Schriften zeigt, neben ihm steht Friedrich II in Uniform.

Informationen:

Museum Schloss Moyland
Am Schloss 4
D-47551 Bedburg-Hau
Tel.: ++49(0)2824 / 9510-60 Fax: ++49(0)2824 / 9510-94
Öffnungszeiten ganzjährig geöffnet
Sommer (1. April bis 31. Oktober) Di bis Fr 10 bis 18 Uhr Sa und So 10 bis 19 Uhr
Winter (1. November bis 31. März) Di bis So 10 bis 17 Uhr
Montags geschlossen !
Weitere Informationen auf den sehr schönen Internetseiten  http://www.moyland.de

Literatur

"Dort bin ich ohne Sorgen" Krankheit und Sterben Friedrichs des Großen, aufgeschrieben von seinem Leibarzt Christian Gottlieb Selle Herausgegeben und mit kommentierenden Texten versehen von Detlef Rüster Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin, 1993 (man sollte sich für Friedrich und seine Zeit interessieren)

"Museum Schloss Moyland" hrsg. vom Förderverein Museum Schloss Moyland e.V. Du Mont Buchverlag, Köln, 1997 (sehr ausführliche Dokumentation)

Dr. Heinz Will, Voltaire am Niederrhein, Kleve 1974 (kompetente, quellenkritische Arbeit über Voltaires Aufenthalte am Niederrhein).

Otto Brües "Schloss Moyland: von Voltaire bis Beuys" Mervator-Verlag, Duisburg, 1988 (etwas blumige Berichte über das Leben im Schloss)

Carlyle, Thomas: Friedrich der Große. Übersetzung von Neuber, J. u. Althaus, F., Berlin Decker's Verlag., 1925. 434S (zur Herstall-Affaire)

Maisons-Laffitte

Voltaire in Maisons-Laffitte

Aufnahme von http://montjoye.net/chateau-maisons-laffitte

Das Schloß Maisons-Laffitte, erbaut um 1640 von René de Longueil, heute im Besitz des französischen Staates, liegt, obwohl man mit dem Bus Linie 262 ab Paris La Défense fast direkt vor das Schloss  (Haltestelle Château) fahren kann, etwas abseits der touristischen Hauptrouten. Es ist deshalb zumeist wenig besucht, ein Geheimtipp also für alle, die dem hektischen Paris für ein paar Stunden entkommen möchten.

Die prächtigen, weiten und großzügigen Räume des Erdgeschosses und des ersten Stockwerkes, die alleine dem Besucher offenstehen, und die über beide Ebenen offene Treppenanlage überwältigen und geben einen Eindruck von Pracht und Eleganz, dem das ausgesuchte Mobiliar nicht nur entspricht, sondern noch einen gesteigerten Eindruck von Großzügigkeit gibt, der dem Ausblick in die weite, liebliche Landschaft des Seinetales- soweit sie heute noch gegeben ist- entspricht. Es ist einfach schön.
Man kann sich ungefähr vorstellen, wie die Räume, die sonst nur dem höheren Adel zugänglich waren, auf Voltaire als einen jungen Schriftsteller und Poeten gewirkt haben, der, selbst in einer Dachstube des Hauses untergebracht, den Vorteil geniessen durfte, in einem dieser Räume speisen und sich unterhalten zu können - zu dürfen.

Die Arbeit des Architekten François Mansart (1598-1666, nach ihm bezeichnet man alle Dachwohnungen als Mansarde) hatte wegweisende Bedeutung für die Architektur in Frankreich.

Voltaire: "François Mansard war einer der besten Architekten Europas. Das Schloss de Maisons,- oder besser das Palais de Maisons bei Saint-Germain, ist ein Meisterwerk, weil er hier sein Genie in völliger Freiheit entfalten konnte." (Siècle de Louis XIV), 

Zu Voltaires Zeit gehörte das Schloss dem Marquis Jean René de Longueil (1699 -1731). Er war der Aufklärung zugetan und mit dem etwa gleichaltrigen Voltaire befreundet.

Correspondance-Voltaire dankt dem 'Voltaire-Korrespondenten' Rainer Fischer aus Kempen, der hier seine Eindrücke über Maisons-Laffitte nach einem Besuch im Jahr 2017 zur Verfügung gestellt hat.

Voltaire in Maisons-Laffitte

Um 1720 macht der junge, hochbegabte und gebildete Jean René de Longeuil, Marquis de Maisons, aus dem Schloß ein Zentrum der Aufklärung. Wissenschaftler, Philosophen und Schriftsteller aus ganz Frankreich versammeln sich in Les Maisons. Im Park läßt er einen botanischen Garten anlegen, im Schloß unternimmt der Marquis chemische Experimente und in seinem physikalischen Kabinett überpüft er die Optik Newtons. Zu seinen Gästen zählt oft auch Voltaire, der dort an den Experimenten teilnimmt und die zweite Auflage seines Epos 'La Henriade' vorbereitet.
Die Architektur des Schlosses beeindruckt Voltaire sehr, sie inspirierte ihn später zu der Idee, in dem sehr viel kleineren Cirey einen Seitenflügel  à la Maisons anbauen zu lassen - in dem natürlich ein physikalisches Kabinett eingerichtet wird!
November 1723. Während eines Aufenthaltes in Schloß Maisons erkrankt Voltaire an den weissen Pocken, einer zwar weniger gefährlichen Variante der echten Pocken, die aber trotzdem Mitte 1723 in Paris zahlreiche Todesfälle verursacht hatte. Pocken-Schutzimpfungen waren in Europa, anders als z.B. in der Türkei, noch fast unbekannt. Lady Montague berichtete zwar schon 1720 in London vom Erfolg einer Pocken-Schutzimpfung in Istanbul, musste sich aber gegen die gesamte Londoner Ärzteschaft durchsetzten, was schliesslich nur durch die Unterstützung des Königs gelang. Voltaire hat Lady Montagu und der Pockenschutzimpfung in seinen Philosophischen Briefen aus England ein Kapitel gewidmet (vgl. auch die sehr informative Internetseite über die Pockenimpfung in Istanbul und Lady Montagu : href="http://www.istanbulpark.de/news.php?extend.72.1 - leider im Juni 2020 nicht erreichbar)

Vier Wochen bleibt Voltaire in Les Maisons. Er erhält die zu seiner Zeit bestmögliche Pflege, die Behandlung besteht im Aderlassen, Brechmitteln und vermehrter Flüssigkeitszufuhr, was, wie wir heute wissen, bei allen Fieberkrankheiten eine gute Idee ist. Ohnehin liegt laut (heutiger) Statistik die Sterblichkeitsrate bei den weissen Pocken ohnehin deutlich unter 5%, wenn nicht eine weitere Infektion den ohnehin schon geschwächten Körper befällt.

Dezember 1723
Voltaire, von seiner Krankheit geheilt, verlässt das Schloß Maisons. Noch im Moment seiner Abreise fängt das Zimmer, das er bewohnt hatte, Feuer und der Brand zerstört einen Teil des Gebäudes.
Und, schlimmer noch, im Jahr 1731 erkrankt der Marquis de Longeuil selbst an den Pocken - er war immer schon von schwächlicher Konstitution - und stirbt an dieser heute - Lady Montagu sei dank! - fast besiegten Krankheit.

Hier Voltaires Brief an den Baron de Breteuil von seinem Aufenthalt in Maisons-Laffitte (Brief vom 5.12.1723, Übersetzung von Rainer Fischer):

 
Monsieur
ich werde Ihrem Wunsch folgen und gebe Ihnen einen getreuen Bericht meiner Erkrankung an den weissen Pocken, die ich überwunden habe, von der erstaunlichen Behandlung, die mir verabreicht wurde und schließlich von dem Unfall von Maisons, der mir die Freude an dem Glück verübelte, wieder ins Leben zurückgekehrt zu sein.

Herr Präsident Maisons und ich fühlten uns am 4. November unpäßlich, aber glücklicherweise wandte sich die Gefahr nur mir zu. Wir wurden am gleichen Tage zur Ader gelassen - ihm ging es danach besser - und ich hatte die weissen Pocken. Diese Krankheit brach nach 2 Tagen mit Fieber durch und kündigte sich durch einen leichten Ausschlag an. Man ließ mich noch ein zweites Mal zur Ader, auf meinen eigenen Wunsch, ungeachtet des gewöhnlichen Vorurteils dagegen.

Herr Maisons hatte die Güte, mir am nächsten Tag Herrn von Gervasi zu senden, den Arzt von Kardinal Rohan, der nur mit Widerwillen kam. Er befürchtete wohl, vergeblich die weissen Pocken an einem zarten und schwachen Körper zu behandeln, die schon vor 2 Tagen ausgebrochen waren und deren Symptomen nur mit 2 leichten Aderlässen begegnet worden war, ohne irgend ein Abführmittel. Er kam dennoch und fand mich mit einem bösen Fieber vor. Meine Krankheit erschien ihm zunächst ziemlich schlimm; die Bediensteten, die um mich versammelt waren, nahmen dies wahr und verbargen es nicht vor mir. Gleichzeitig teilte man mir mit, daß der Pfarrer von Maisons sich für meinen Gesundheitszustand interessiere. Er habe keine Furcht vor den weissen Pocken und frage, ob er mich besuchen könne, er wolle mich aber nicht stören; ich ließ ihn alsbald eintreten, ich beichtete und machte mein Testament, welches, wie Sie gerne glauben werden, nicht sehr lang war. Nach alledem erwartete ich den Tod mit großer Gelassenheit, jedoch nicht ohne zu bedauern, nicht noch letzte Hand an mein Vers-Epos (die Henriade) und das Theaterstück "Marianne" gelegt zu haben und nicht ohne ein wenig böse darüber zu sein, meine Freunde so früh verlassen zu müssen. Herr de Gervasi hingegen gab mich nicht einen Augenblick auf: er studierte an meinem Körper aufmerksam alle Regungen der Natur, er verabreichte mir keine Medizin, ohne mich vorher über den Grund aufzuklären; er gab mir eine Ahnung von dem, was drohte und zeigte mir klar das dagegen notwendige Heilmittel; seine Überlegungen weckten in mir Überzeugung und Vertrauen, schließlich ist ja die Hoffnung geheilt zu werden, schon die halbe Heilung. Er war gezwungen, mich achtmal ein Brechmittel einnehmen zu lassen und an Stelle der herzstärkenden Mittel, die man üblicherweise bei dieser Krankheit gibt, ließ er mich 200 Schoppen Limonade trinken. Diese Behandlung, die Ihnen außergewöhnlich erscheinen mag, war die einzige, die mir das Leben retten konnte, jede andere hätte unweigerlich zu meinem Ende geführt, und ich bin überzeugt, daß die Mehrzahl derjenigen, die an dieser gefährlichen Krankheit gestorben sind, noch leben würden, wenn ihnen die gleiche Behandlung zuteil geworden wäre.
[...]
Aber jetzt ist's genug mit der Medizin: ich ähnele den Leuten, die, mit der Hilfe eines geschickten Anwaltes einen bedeutsamen Prozeß gewonnen haben und noch für einige Zeit die Redewendungen der Anwaltschaft beibehalten. Indessen, mein Herr, das, was mich in meiner Krankheit am meisten kurierte, war das Interesse das ihr an meiner Gesundung hattet, die Zuwendung meiner Freunde und die unbeschreiblichen Wohltaten, mit denen mich Madame und Monsieur de Maisons ehrten. Ich erfreute mich übrigens der Annehmlichkeit, einen Freund um mich zu haben, ich möchte sagen, einen Mann, der unter die sehr kleine Zahl tugendhafter Männer zu zählen ist, die alleine um den Wert der Freundschaft wissen, von der der Rest der Welt nicht mehr als das Wort kennt; es ist Herr Thiériot, der. als er von meine Krankheit erfuhr, mit dem Postwagen 40 Meilen weit angereist kam und mich seither nicht einen einzigen Moment verlassen hat. Am 15. November war ich ganz außer Gefahr und am 16. machte ich wieder Verse, trotz der extremen Schwäche, die durch die Krankheit und die Medikamente auf mir lastete. Ich erwartete mit Ungeduld den Zeitpunkt, an dem ich mich der Fürsorge entziehen könnte, die man mir aus Güte zuwandte, und umsomehr eilte ich mich, sie nicht zu lange auszunutzen. Schließlich war ich am 1. Dezember in dem Zustand, daß man mich nach Paris bringen konnte. [...]"

 

Zu  dem Brand im Schloß Maisons bei seiner Abreise schreibt Voltaire :

"Hier nun , mein Herr, ein verhängnisvoller Augenblick: Kaum war ich 200 Schritte vom Schloß entfernt, als ein Teil des Fußbodens in dem Zimmer, in dem ich gewesen war, völlig entflammte; benachbarte Zimmer, die Räumlichkeiten, die darunter lagen, die kostbaren Möbel, mit denen sie verziert waren, alles wurde verzehrt vom Feuer; der Verlust beläuft sich auf  nahezu 100 Tausend Pfund, und ohne die Hilfe der Feuerpumpen, die man in Pris suchen ließ, wäre eines der schönsten Gebäude des Königreiches vollständig zerstört worden. Man verschwieg mir die seltsame Neuigkeit bei meiner Ankunft, ich erfuhr sie am nächsten Morgen beim Aufwachen und Sie können sich nicht vorstellen, wie niedergeschlagen ich war; Sie wissen um die großzügige Pflege, die Herr Maisons mir zu teil werden ließ; ich wurde bei ihm behandelt wie sein eigner Bruder und das Ergebnis so vieler Wohltaten war der Brand seines Schlosses. Ich konnte nicht begreifen, wie das Feuer mein Zimmer so plötzlich erfassen konnte, wo ich lediglich ein fast erloschenes glimmendes Holzstück hinterlassen hatte; ich erfuhr, daß die Ursache dieser Feuersbrunst ein Balken war, der unter dem Kamin verlief. Das ist ein Fehler, den man beim Aufbau heutiger Gebäude vermeidet und selbst die häufigen Feuersbrünste, die daher rührten, müssen dem König angezeigt werden, um diese fatale Art zu bauen zu bekämpfen. Der Balken, von dem ich spreche, hat sich nach und nach entzündet durch die Hitze der Feuerstelle, die sich unmittelbar auf ihn übertrug und, durch ein eigentümliches Schicksal, das auszukosten ich gewiß das Glück hatte, ist das Feuer, das seit 2 Tagen brütete, nicht früher ausgebrochen als einen Moment nach meiner Abreise. Ich war nicht die Ursache dieses Unfalles, aber ich war der unglückliche Anlaß; es schmerzte mich aber genauso, als ob ich dafür verantwortlich gewesen wäre. Das Fieber befiel mich sofort wieder und ich kann Ihnen versichern, daß ich in diesem Augenblick Herrn Gervasi nur wenig dankbar war, mir das Leben gerettet zu haben. Frau und Herr Maisons nahmen die Neuigkeit viel gelassener auf als ich, ihre Großzügigkeit war ebenso groß wie ihr Verlust und mein Schmerz. Herr Maisons setzte seiner Güte noch die Spitze auf, indem er mir zuvorkam und Briefe sandte, die sehr deutlich machten, daß er sich sowohl durch sein Herz wie auch durch seinen Geist auszeichnet: er nahm die Sorge auf sich, mich wiederherzustellen und es sah beinahe so aus, als wenn er mir das Schloß abgebrannt hätte; aber seine Großzügigkeit führte erst recht dazu, mich noch um so lebhafter empfinden zu lassen, welchen Verlust ich ihm verursacht hatte und ich werde mein ganzes Leben lang meinen Schmerz ebenso wie meine Bewunderung für ihn

Maisons-Laffitte heute (2017)

Aufnahme von http://montjoye.net/chateau-maisons-laffitte

Reisebericht von Rainer Fischer (September 2017): 

Wenn man, wie ich, den von mir beschriebenen Weg durch den Ort geht, ist man, das Schloß von Abbildungen her kennend, recht enttäuscht, wenn man in die letzte, auf das Schloß zuführende Straße einbiegt und - ein von Baugerüsten verhängtes Schloß sieht. Dieser Anblick wird noch bis in das Jahr 2018 hinein den Besuchern nicht erspart bleiben. Wer sich aber davon nicht abhalten läßt und die Eintrittskarte für 7 Euro gelöst hat, der wird mit einem famosen architektonischen Werk belohnt, das sich den Augen und dem ästhetischen Wohlbefinden zuträglich darbietet. Nach Ende der Fassadenarbeiten, die sich im Inneren nicht auswirken, wird der Besuch natürlich noch lohnender sein..

Das Schloß Maisons liegt heute im Ort Maisons-Lafitte, im Westen von Paris, nördlich von Saint Germain en Laye und nur ca. 10 km von Nanterre entfernt.

Anreise

o mit dem Auto:
Von Paris La Défense nehmen Sie die Unterführung in Richtung Cergy-Pontoise, A86, dort die Ausfahrt 2 b Bezons in Richtung Poissy über die N192 und die N308

o mit dem RER A z.B. ab Chatelet, Richtung POISSY zur Haltestelle "Maisons-Lafitte"

o mit dem Zug (Transilien) ab Gare Saint Lazare, Abfahrt ab 1.Geschoß (über Straßenniveau), Züge nach Maisons-Lafitte sind auf den Anzeigetafeln "Ile de France" leicht zu finden. 

o mit dem Bus ab La Défense, Linie 262 bis zur Haltestelle "Chateau".

Sind Sie mit dem Zug oder RER A angereist, so verlassen Sie den Bahnhof und stehen direkt am Beginn der Avenue de Longeuil, wo sich links das Rathaus und gegenüber rechts in einem kleinen Pavillon das Office du tourisme befinden. Folgen Sie der Avenue de Longeuil, zunächst als Hauptgeschäftsstraße, dann als Grünanlage im Villenviertel gestaltet, bis zur "Place du Chateau", wo Sie rechts in die Avenue Général Léclerc  einbiegen und schon das Schloß in seiner ganzen Schönheit vor sich sehen. 

Links

Sehr schöne, offizielle Seite (auf Französisch) über das Schloss mit allen wichtigen Informationen: www.maisonslaffitte.net

Lunéville

Lunéville

Ansicht Schloss Lunéville 2001

Lunéville in Lothringen liegt bei Nancy, heute 2 Autostunden von Cirey entfernt, damals, im 18. Jhdt. eine halbe Tagesreise mit der Kutsche. Hier hielt der 1736 endgültig abgedankte polnische König Stanislas Leszczynski* Hof, für Voltaire eine kleine Entschädigung für Versailles, Paris überhaupt, das ihm seine Gegner versperrt hielten. Zudem war Stanislas Vater der französischen Königin und Zeitzeuge der Kriege des schwedischen Königs Karls XII.in Polen, also eine erstklassige Informationsquelle. Stanislas hatte Karl XII., dessen Mann er im polnischen Thronfolgekrieg gewesen war, persönlich gekannt. Jetzt, nach dem französischen Einigungsvertrag mit Habsburg, war August III. (der Sachse) König von Polen und er in Lothringen Fürst von Frankreichs Gnaden. Sein Hof war eine Art Altenteil, das ihm seine Tochter, die fromme französische Königin Maria, auf Kosten der Krone eingerichtet hatte. Ein Refugium mit scheinbar unbegrenzten Geldmitteln, die es ihm erlaubten, eine Hofhaltung zu betreiben, eine Bautätigkeit zu entfalten, die sich mit Versailles messen konnte. Dieses Sandkasten-Fürstentum mit allem , was dazu gehörte: Schlösser, Untertanen, Feste, ging mit seinem Tod unter. In Lothringen ist Stanislas bis heute in guter Erinnerung, waren doch die Geldmittel und sein Prunk für das Land eine Zeit des relativen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs und bis heute sind seine Bauten rund um Nancy Anziehungspunkte für Touristen (Besonders sehenswert: Place Stanislas in Nancy). Das Reiterstandbild vor dem Schloss ehrt übrigens den Lothringer Général Lasalle, der sich unter Napoléon im Ägyptenfeldzug verdient gemacht hatte und 1809 in der Schlacht von Wagram fiel. 

* über Stanislas Leszczynski informiert recht gut die ihm gewidmete Wikipediaseite

Lunéville - im Reich Stanislas'

1735

  • 12.Mai: Voltaire reist mit der Gräfin von Richelieu in die jetzt von Elisabeth von Orléans regierte Grafschaft Lorraine. Am Hofe von Lunéville baut man die Experimente Newtons nach, Voltaire ist begeistert und genießt die freie und besonders die theaterfreundliche Atmosphäre, die er auch 13 Jahre später noch, zur Zeit von Stanislas, wiederfindet.
    Auszug aus seinem Bericht an seinen Freund M.de Formont vom 25.6.1735:

Eh bien! mon cher philosophe, il y a bien du temps que je ne me suis entretenu avec vous. J’ai été à la cour de Lorraine, mais vous vous doutez bien que je n’y ai point fait le courtisan. Il y a là un établissement admirable pour les sciences, peu connu et encore moins cultivé. C’est une grande salle toute meublée des expériences nouvelles de physique, et particulièrement de tout ce qui confirme le système newtonien. Il y a pour environ dix mille écus de machines de toute espèce. Un simple serrurierdevenu philosophe, et envoyé en Angleterre par le feu duc Léopold, a fait, de sa main, la plupart de ces machines, et les démontre avec beaucoup de netteté. Il n’y a en France rien de pareil à cet établissement, et tout ce qu’il a de commun avec tout ce qui se fait en France, c’est la négligence avec laquelle il est regardé par la petite cour de Lorraine.

Übersetzung:
Ja nun, mein lieber Philosoph, es ist eine ganze Weile her, seit ich mich mit Ihnen unterhalten habe. Ich bin am Hofe von Lothringen gewesen, aber Sie vermuten richtig, wenn Sie meinen, daß ich nicht dort war, um den Höfling abzugeben. Dort gibt es ein bewundernswertes Wissenschaftskabinett, wenig bekannt und noch weniger gepfleg. Es handelt sich um einen großen Saal voll mit Einrichtungen die man braucht, um die neuen Experimente Newtons durchzuführen und zu überprüfen. Hier stehen für ungefähr zentausend Ecus Geräte aller Art. Ein einfacher Schlosser, der zum Philosoph wurde, war vom verstorbenen Herzog Leopold nach England geschickt worden, er hat mit eigener Hand die meisten dieser Geräte hergestellt und bedient sie mit viel Geschick. In ganz Frankreich gibt es zu dieser Einrchtung nichts Vergleichbares und das einzig Gemeinsame mit dem, was sich in Frankreich tut, ist die Geringschätzung, mit der der kleine lothringische Hof das alles betrachtet.

  • Ende Juni Voltaire reist nach Cirey, um dort mit Madame du Châtelet zusammenzutreffen.

1748

  • Januar: Ankunft Voltaires mit Madame du Châtelet in Lunéville, das jetzt von Stanislas 'regiert' und prachtvoll ausgebaut wird. An seinem Hof schließen sie enge Freundschaft mit Madame de Boufflers, Stanislas Lebensgefährtin, die auch 'Madame volupté' (etwa: Frau Wollust) genannt wird. Voltaires Stücke Zaire und Mérope und die neu verfasste Komödie La femme qui a raison  werden aufgeführt. Voltaire und Emilie führen ein ziemlich unstetes Leben, sie sind abwechselnd in Paris, Plombières, Lunéville. Auch der lothringische Hof wechselt seinen Standort häufig zwischen Commercy, La Malgrange, Nancy und Lunéville. Ein Fest gibt das andere. Im Dezember reisen Voltaire und Emilie von Lunéville aus nach Cirey, denn Emilie ist schwanger - von ihrem Liebhaber Saint Lambert.

1749

  • Juni: Rückkehr von Voltaire und Madame du Châtelet. Emilie du Chatelet schreibt an ihrem Buch Principes de la philosophie naturelle de Newton.
    Von Voltaire stammen aus dieser Zeit die Stücke Catalina und Electra
  • September Am 10.9. stirbt Emilie du Châtelet, am sechsten Tag nach der Geburt ihrer Tochter Stanislas Adélaide am Kindbettfieber. Sie wird in der Kirche Saint Rémy (heute:Saint Jacques) beigesetzt. Zwei Tage später reist Voltaire in Begleitung von Emilies Ehemann ab nach Cirey.

Lunéville heute (2014)

 

2001: Schloß Lunéville ist ein Schloß im Niedergang, überall macht sich das Fehlen von finanziellen Mitteln bemerkbar, die aber dringend zur Renovierung benötigt würden, damit das einst so prächtige Schloß ein Anziehungspunkt für Touristen sein könnte. Ähnlich spärlich sind auch die Äußerungen zu Voltaire und Emilie du Châtelet beschaffen: sporadisch, amateurhaft, liebevoll von einem Liebhaber der Aufklärung selbst mit Schreibmaschine geschrieben und fotokopiert. Der offizielle Prospekt verliert kein Wort über die beiden, nicht einmal der Gründer Stanislas wird angemessen porträtiert.

2010: Das Schloß - es ist wie ein Schlußpunkt unter die Geschichte seines Niedergangs, wird von einer verheerenden Feuersbrunst vernichtet, insbesondere der Südflügel mit den Sammlungen historischen Porzellans und einer kleinen Gemäldegalerie ist unwiderruflich verloren. Eine ziemlich breite Unterstützerkampagne zum Wiederaufbau des Schloßes setzt ein.

London

Voltaire in London

1726, als Voltaire in England ankam, war London bereits die größte Stadt der westlichen Welt und zählte über 500.000 Einwohner. Sie war aber auch eine Stadt großer sozialer Gegensätze: am Vorabend der industriellen Revolution hatte zwar das Bürgertum dem Adel die Macht entrissen (1689 wird dies in der Bill of Rights festgeschrieben), das normale Volk hatte davon aber nicht viel, es lebte in bitterer Armut.

Trotzdem war es eine Zeit religiöser Toleranz, die Voltaire sehr begrüßte und bewunderte. Auch eine weitere Folge der Teilentmachtung des Adels wertete er positiv: Bürger konnten jetzt - aufgrund außerordentlicher Leistung ('Sir' Isaac Newton) oder als Folge ihres klug erreichten Reichtums - in den Adelsstand erhoben werden. Eigentlich ein Zeichen dafür, daß der Adel noch immer den Ton angab, Voltaire aber sah es so, daß hier Bürger durch Leistung an die Spitze der Gesellschaft kommen konnten und nicht allein durch Zugehörigkeit zu einer noblen Familie - damals im absolutistischen Frankreich undenkbar. In diesem Klima blühte die Kultur: die Musik Purcells und Händels, am Theater spielte man die Stücke Shakespeares und John Gays, man las die Romane Jonathan Swifts und Newton legte die wissenschaftlichen Grundlagen der Physik. Das war genau das geistige Klima, das Voltaire brauchte. 

Etwas mehr als zwei Jahre in London genügten, um aus dem französischen Höfling und Libertin vollends einen aufgeklärten Bürger zu machen. Seit der Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685 waren viele Hugenotten nach London geflohen, in ihren Kreisen fand Voltaire Anschluß. Einflußreiche Freunde wie Lord Bolingbroke und A. Fawkener führten ihn in die führenden englischen Gesellschaftskreise ein.

Voltaire im Londoner Exil - Hinwendung zur Aufklärung

10.5.1726 Ankunft Voltaires in London.

Stadtansicht von London um 1710 - im Vordergrund die damals bebaute London Bridge und sehr deutlich die Gedenksäule (Monument) die an das große Feuer von 1666 erinnert (photo: wikipedia:'London Bridge').

Sein erstes Ziel ist das Bankhaus da Costa, wo er seinen Wechsel einlösen will. Er erfährt, daß die Bank bankrott, da Costa auf der Flucht und seine Baranweisung verloren ist. Voltaire hält sich an den 71 jährigen Vater des Bankiers, der ihm erklärt, daß:

"sein Sohn nichts dafür könne, ihm sei Unglück widerfahren, er wäre immer bestrebt, nach Gottes Wille zu leben, das heißt, er sei ein ehrlicher Mann und guter Israelit. Er bestürzte mich, ich umarmte ihn, wir lobten gemeinsam Gott und ich hatte achtzig Prozent verloren."*

Er erhält nur einen kleinen Teil seines Geldes und in der großen Stadt ist dieses Geld schnell verbraucht. Voltaire braucht Hilfe.
Everard Fawkener (1684-1758)*, ein Tuch-grosskaufmann, den Voltaire aus Paris kennt, lädt ihn ein, bei ihm zu wohnen. Der Landsitz befindet sich in Wandsworth, (Putney Bridge Road, -wo heute eine Polizeistation steht) einem belebten Vorort von London, wo sich die Hugenotten nach der Vertreibung aus. Frankreich angesiedelt haben, es blüht das Manufakturwesen. Hier wird später die erste Lok der Welt auf die Schiene gesetzt.
* Noamy Perry, Sir Everad Fawkener, friend and correspondent of Voltaire London, 1975


Wandsworth

Heute ist Wandsworth eher ein ruhigerer Stadtteil Londons, einige kleine Häuschen erinnern noch an die industrielle Vergangenheit. Wo hier einst Arbeiter wohnten, hat längst der Mittelstand Einzug gehalten, der sich nach sozialem Aufstieg sehnt. An die hugenottische Vergangenheit erinnert sich kaum noch jemand. Der kleine Hugenottenfriedhof liegt versteckt hinter einer Backsteinkirche, nur in der Stadtbibliothek kennt eine ältere Mitarbeiterin den Ort.


Und ob an der Stelle, wo heute der hässliche Polizeibau steht, früher einmal das Haus Fawkeners stand, wissen nicht einmal gestandene Historiker. London ist schnelllebig und - ausgenommen die großen und berühmten Gebäude, scheint es sich wenig um die eigene Vergangenheit zu kümmern. So lösen sich die 250 Jahre alten Grabsteine des Hugenotten-Friedhofs langsam unter dem Einfluß von Witterung und Vandalismus auf und wer weiß, wie lange die schöne Trauernde (oben zu sehen) den Versuchen, sie von ihrem Grabstein abzulösen, noch standhalten wird ?


Juli 1726 

Voltaire reist heimlich nach Paris, wahrscheinlich, um dort für die finanzielle Absicherung seines Londonaufenthaltes zu sorgen.

Am 10. August 1726 stirbt Voltaires ältere Schwester

Marguerite-Cathérine Mignot, sie hinterlässt 3 Kinder, die späteren Madame Denis, Madame Fontaine und Abbé Mignot. Voltaire stand ihr sehr nahe, denn Marguerite-Cathérine war es, die sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter um ihn gekümmert hatte. Voltaire konzentriert sich jetzt darauf, seine Lage in London zu stabilisieren. Dazu gehört vor allem, daß er  die englische Sprache erlernt.
Um die englische Sprache zu erlernen, besucht Voltaire - was liegt für ihn als Dramatiker näher -die Theater Drury Lane und Lincolns Inn Fields, wo man die Stücke Shakespeares spielt. Er mietet sich in der Nähe ein kleines Zimmer' und setzt sich bei der Aufführung neben den Souffleur, denn bei ihm kann er den geschriebenen mit dem gesprochen Text vergleichen.


Theatre Drury Lane

Das Theatre Royal Drury Lane wurde 1663 eröffnet und war die wichtigste Shakespearebühne Londons. Das Gebäude brannte mehrmals ab. Das heutige Theatergebäude wird seit 1812 bespielt und bietet für mehr als 2000 Zuschauer Platz und ist das Theater mit der ältesten, forlaufenden Spieltradition Londons. Dieses Theater spielte zu Voltaires Lebzeiten viele seiner Stücke in englischer Sprache:
1735 Junius Brutus. T. (William Duncombe),
1736. The Tragedy of Zara. [Zaire, Adaption v. Aaron Hill.],
1744. Mahomet the Imposter. T.  [Le Fanatisme, ou Mahomet le Prophète, Adaption v. James Miller und (?) John Hoadly, ein 5.Akt ist von ihm],
1749. Meropé [sic]. T.[Mérope, Adaption v. Aaron Hill.],
1759. The Orphan of China. T.  [Orphelin de la Chine, Adaption v. Arthur Murphy.],
1760. The English Merchant. C. [L'Écossaise, Adaption v. George Colman, the elder.],
1765. Mahomet the Impostor. T. [James Miller’s 1744 version, verändert durch (?) Garrick.],
1771. Almida. T. By a Lady. [Tancrède, Adaption v. Dorothea (Mallet) Celesia],
1776. Semiramis. T. [Sémiramis, Adaption v. George Edward Ayscough.
Quelle:Bartleby 10.IV


Lincoln Inn Fields

The Lincoln Inn Fields Theatre lag an der Südseite des gleichnamigen Platzes und bestand von 1661 bis 1848. Hier wurde 1728 John Gays Beggar's Opera aufgeführt, die Voltaire dort wohl gesehen haben dürfte. Heute steht an der Stelle das sehr sehenswerte paläontologische und anatomische Museum der Sammlung Hunter, eine der weltweit ältesten paläontologischen Sammlungen.

Lincoln Inn Fields Park

1735 spielte das Theater Voltaires Alzire in einer Adaption von Aaron Hill

 

 

 

 

 


Ende des Jahres 1726

besucht er Lord Bolingbroke in dessen Landhaus Dawley, lernt bei ihm den Dichter, Schriftsteller und Homer Übersetzer Alexander Pope kennen, besucht ihn mehrmals in Twickenham (heute Stadtteil von London). Nach einer glaubhaften Anekdote kam es dabei zu einem Zwischenfall. Voltaire antwortet nämlich auf die Frage, warum er denn bei so schlechter Gesundheit sei, daß ihn "die verdammten Jesuiten, als er noch ein Kind war, so mißbraucht hätten, daß er sich davon Zeit seines Lebens nicht mehr erholen würde". Diese Äußerung ist bei dem katholischen Pope nicht gut aufgenommen und die Beziehung der beiden war seitdem angespannt.

Ende Januar 1727

Voltaire hat in der englischen Gesellschaft Anschluß gefunden, er unterhält Kontakt zu den höchsten Gesellschaftskreisen, er wird von König Georg I empfangen und die königliche Familie unterstützt ihn sogar bei der Herausgabe seiner exklusiven und kostspieligen 'Henriade'.

Am 20.3.1727 

stirbt Issac Newton, wird in Westminster Abbey beigesetzt, auch dies für Voltaire ein Zeichen der Fortschrittlichkeit Englands: in Frankreich verweigert man manchem Wissenschaftler Anerkennung und ein ordentliches Begräbnis, während England ihnen höchste Ehren zukommen lässt.

Mai 1727

Voltaire lernt John Gay kennen, den Autor der 'Beggar's Opera' (die Brecht zur Dreigroschenoper umarbeitete) und Johnathan Swift, dessen Gulliver ihn begeistert. Er wohnt wieder in Wandsworth, jetzt aber bei einem Färber, trifft in dessen Nachbarschaft Quäker , über das Zusammentreffen berichtet Voltaire im ersten seiner philosophischen Briefe.

Juni 1727

Voltaire wohnt in Parson's Green, bei Lord Peterborough, neben Bolingbroke sein wichtigster Förderer in England. Voltaire kommt in Kontakt zu Lady Mary Wortley Montagu, der großen englischen Propagandistin der Pockenschutzimpfung. Er besucht George Bubb Dodington, Lord Melcombe, in Eastbury, der durch seine posthum erschienen Memoiren berühmt wurde.
Die Subskriptionsliste der Neuausgabe von Henry IV. wird ausgelegt. Voltaire lernt Andrew Pitt, den Führer der Quäker kennen, besucht ihn in Hamstead, wird von ihm zu einer Quäkerversammlung in die Grace Church Street mitgenommen. Heute ist die Gracechurchstreet in London eine Geschäftsstrasse mit netten Hinterhöfen. Von dem früheren Zentrum der Quäker ist nichts mehr geblieben, 1821 ist es einem Brand zum Opfer gefallen. In dieser Strasse wurde 1670 William Penn verhafet, weil er öffentlich predigte - denn innerhalb des Hauses zu predigen, hatte man ihm verboten.

Grace Church Street in London

 

 

 

 


Quaker

Die 'religiöse Gesellschaft der Freunde', wie sich die Religionsgemeinschaft auch nennt, war durch George Fox, einem Handwerker im 17 Jahrhundert, der sich für erleuchtet hielt, gegründet worden. Sie waren der Ansicht, daß in jedem Menschen etwas vom Licht Gottes leuchte, deshalb bezeichneten sie sich auch selbst als Kinder des Lichts. Ihr Führer William Penn war der Namensgeber und Gründer von Pennsylvania.
Für Voltaire waren die Quäker in mehrerer Hinsicht interessant :
o sie lehnten, ganz im Gegensatz zur katholischen Kirche,  Priester als Vermittler zwischen Gott und den Menschen ab. Jeder war selbst in der Lage, mit Gott zu kommunizieren .
o sie hatten sich gegen schlimme Verfolgung behauptet
o sie bildeten eine Gemeinschaft von Gleichen
o in ihrem Land Pennsylvania galt als oberstes Gesetz, daß niemand wegen seines Glaubens verfolgt werden dürfe.
Zu Voltaires Zeit war die religiöse Verfolgung in England abgeschafft: "Dies hier ist das Land der Sekten. Als freier Mann kommt der Engländer auf dem Weg, der ihm paßt, in den Himmel".


 

Am 29. Juni 1727

erhält er die Erlaubnis für 3 Monate nach Frankreich zu reisen. Voltaire bleibt in England, da sich durch den Tod Georg I. neue Perspektiven am englischen Königshof ergeben. Im Herbst wohnt er bei John Brinsdon, Sekretär von Lord Bolingbroke in der Durham Yard (Parallelstraße zur Strand). Er erkrankt, wird von seinen Gastgebern und Vermietern gesund gepflegt. Im Dezember zieht er in die Maiden Lane, ins Haus der 'White Peruke', heute auf der Rückseite des Vaudeville Theaters gelegen (hier gibt es dank Noamy Petty eine Gedenktafel), wohnt dort bis Juni 1728.

Am 6.12.1728

erscheinen 2 Essays von Voltaire, geschrieben in englischer Sprache: Essay upon civil wars und Essay upon the epick poetry.

1728 März

die Henriade erscheint, und zwar zuerst im Buchformat 4°, dann in 8°. Im Juni wohnt Voltaire wieder in Wandsworth.

Im Oktober 1728

Rückkehr nach Frankreich - Dieppe. Voltaire wohnt bei M. Fréret, einem Apotheker, Rue de la Barre - dann erst, 1729 im März Rückkehr nach Paris.

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Werke Voltaires - in London entstanden

    • Lettres philosophiques. In 25 Briefen vergleicht Voltaire die Zustände in England mit denen in Frankreich. Der Vergleich fällt eindeutig zugunsten Englands aus und macht ihm in Frankreich viele Feinde. Die 'Philosophischen Briefe' erschienen 1733 zuerst in englischer Sprache als: 'Letters concerning the English Nation by M. de Voltaire',erst ein Jahr später auf Französisch, und zwar in Amsterdam (Lettres philosophiques, par M. de V.... Amsterdam: E. Lucas, 1734, 387 S. (in-12°), denn in Frankreich durften die 'Briefe' nicht erscheinen....mehr
    • La Henriade Mit seiner Henriade setzt Voltaire Henri IV., dem großen Versöhner der Religionen in Frankreich ein Denkmal. Die Henriade war schon 1723 in Frankreich erschienen, machte ihn berühmt und zum Idol aller freiheitsliebenden Menschen, und zum Feind aller katholischen Finsterlinge. In London bringt Voltaire das Werk in einer sehr exklusiven Ausstattung im Format 4° neu heraus.

 

  • Essay upon civil wars of France extracted from curious manuscripts; London: Jallasson, 1727, 35 S. (8°) Es handelt sich um den Abriss der Lebensgeschichte Henri IV bis zu seiner Thronbesteigung. Die kleine Schrift konnte auf französisch erst 2 Jahre später in Holland erscheinen, weil sie in Frankreich von der Zensur verboten wurde.
  • Essay upon the epick poetry Der Versuch über die epische Poesie war als Einleitung zur Henriade gedacht und erschien 1728 unter dem Titel Essai sur la poésie épique, traduit de l’anglais de M. de Voltaire, par M. *** Paris, Chaubert, 1728, 170 S. ( in-12°). Die Abhandlung ist eine Art Selbsvergewisserung Voltaires gegenüber den Größen der epischen Literatur wie Homer, Vergil, Lukian, Tasso, Milton. Eine deutsche Übersetzung ist bis heute nicht erschienen.