Charles Augustin de Ferriol, Comte d’Argental

Charles Augustin d’Argental war Voltaires Schulfreund im Pariser Gymnasium Louis le Grand und blieb ihm sein ganzes Leben lang eng verbunden.

Sein Vater besaß die Ländereien und die Gemeinden Pont-de-Veyle (bei Macon), Forges und Vézières (bei Chinon). Seine Mutter, Angélique Guérin de Tencin unterhielt enge Beziehungen zu ihrer als Mme Claudine de Tencin bekannten Schwester, der Mutter d’Alemberts. Dieser war die Flucht aus dem Kloster gelungen, sie unterhielt später einen bedeutenden Salon, in dem viele Intellektuelle, so etwa Hélvétius, Montesquieu, Bolingbroke, verkehrten. D’Argental war Rat am obersten Gerichtshof in Paris und trotzdem, ab 1737 unterstützt von seiner Frau Jeanne, Voltaires erster Korrektor und Kritiker, gleichzeitig sein Theateragent und sogar Regisseur, sowie sein unverzichtbarer Organisator im Kampf gegen die Inquisitionsprozesse der sechziger Jahre.

In der Zeit, als Voltaire in Ferney im Exil lebte und nicht nach Paris reisen durfte, waren es die d’Argentals, die dafür sorgten, daß seine Theaterstücke in der Hauptstadt gezeigt wurden.  D’Argental legte die geeigneten Spielorte und Schauspieler fest, arbeitete intensiv mit den Schauspielern an den Stücken Voltaires und sorgte dafür, daß sie in seinem Sinne aufgeführt wurden. Voltaire bezeichnete die d’Argentals stets als seine ‚Engel‘ und hat mit Ihnen bis an sein Lebensende im Wochenwechsel korrespondiert (über tausend Briefe sind erhalten geblieben). Hier die Erstübersetzung des Briefes, den Voltaire anlässlich der Heirat seiner beiden Freunde an d’Argental schrieb:

Cirey, 2. November 1737
Im Augenblick besteht mein ganzes Leid darin, daß ich Sie nicht umarmen und von ganzem Herzen beglückwünschen kann. Zur Empfindung des vollkommenen Glücks fehlt mir nur, Zeuge des Ihren zu sein. Mein liebster und geschätzter Freund, wie bezaubert bin ich von Eurem Handeln! Wie erkenne ich darin Ihr zärtliches Herz und Ihren entschlossenen Geist!.
Man sagte, daß Hymenaios* bloß Vater werden wolle,
traurig, wahllos-blind und  kriegerisch veranlagt sei.
Doch da kennt man ihn schlecht, das ist Hymenaios nicht.
Bei Euch, d’Argental, ist er als Gott der glücklichen Herzen,
ihn führt die Tugend, beseelt die Zärtlichkeit;
das Glück folgt seinem Schritt und zieht sich nicht zurück;
Hymenaios, der wirkliche, ist ein Sohn der Wertschätzung
– und der Bruder des zärtlichen Amor.
Gestatten Sie mir, Ihnen hier die Glückwünsche aller aufrechten Leute, von allen denkenden Menschen, von allen liebenswerten Menschen zu überbringen. Mein Gott! wie richtig haben Sie das gemacht, der eine wie die andere!  Madame, haben Sie für mich mit Teil an der Güte von Monsieur d’Argental. Ah! wenn Sie beide einmal die Idee ergreifen würde, einige Zeit auf dem Lande zu verbringen, während man Ihre Wohnung streichen und die Möblierung komplettieren würde; Mme du Châtelet wird ihnen dazu noch einige freundliche Worte schreiben. Nehmen Sie uns nicht die Hoffnung, Sie wiederzusehen. Wer glücklich ist, braucht Paris nicht. Wir werden nicht mehr hingehen, also werden Sie hierher kommen müssen. Leben Sie glücklich, liebenswertes Paar, schätzenswertes Paar. Verkaufen Sie schnell diese unwürdige Last eines Rats beim Gerichtshof, die ihnen die Zeit wegnimmt, die Sie den gesellschaftlichen Reizen schuldig sind,  verlassen Sie diese traurige Bürde, die einen dazu bringt, früh morgens aufzustehen.
Ich kann heute von nichts anderem, als von dem Vergnügen sprechen, das mir Ihr Glück bereitet. Ein anderes Mal werde ich Sie mit Melpomene und Thalia unterhalten; heute jedoch  gehört mein ganzer Weihrauch der Gottheit, der Sie Opfer bringen.

*Hymenaios (Hymen), griechischer Gott der Eheschließung

Lebenslauf

(folgt dem Artikel von Maija B.May, Comte d’Argental: A magistrate in the literary world, in Studies on Voltaire and the eigtheenth century, Vol. 76, S. 55 – 114, Genf 1970).

  • (20.12.) 1700 wurde Charles Augustin in Paris als Sohn von Augustin de Ferriol und Angélique Guérin de Tencin in eine Familie des hohen Amtsadels (noblessse de robe) hineingeboren. Er hatte einen älteren Bruder, den später als Literat bekannt gewordenen Antoine de Ferriol de Pont-de-Veyle (1697 – 1774).
  • 1707 Besuch des Gymnasiums Louis le Grand, wo er Voltaire kennenlernt.
  • 1712 Charlotte-Elisabeth, ein türkisches Mädchen, das d’Argentals Onkel Charles in Istanbul freigekauft und nach Paris gebracht hatte, lebt im Haushalt der Ferriols. Sie hat sich in Frankreich später (als Mademoiselle Aïssé) durch ihr selbstbewußtes und unabhängiges Auftreten Anerkennung verschafft. Voltaire kommentierte ihre Briefe an Mme Calandrini (erschienen erstmals 1787), in denen sie d’Argentals Fähigkeit, sich einer Sache (oder einem geliebten Menschen) völlig hinzugeben, bewundert.
  • November 1712 d’Argentals Tante Claudine Guérin de Tencin  (1782 – 1749) – nachdem es ihr gelungen war, sich aus dem Kloster zu befreien -, zieht in das elterliche Haus, bis zur Geburt ihres Sohnes Jean Baptiste (später d’Alembert) 1717 unterhält sie dort ihren berühmten Salon.
  • 1719 juristisches Examen.
  • 1720 d’Argental verliebt sich, wie Voltaire, in die Schauspielerin Adrienne de Lecouvreur, er will sie heiraten und soll deshalb nach Santo Domingo verbannt werden –  geht stattdessen nach England.
  • 1721 wird er Rat (conseiller) am Pariser Parlament, d.i. der höchste Gerichtshof des Landes, verliebt sich in die Schauspielerin Le Pellissier.
  • 1722 Er trifft, wie Voltaire, Lord Bolingbroke in Orléans (la Source)
  • 1732 Heirat mit der zwei Jahre jüngeren Jeanne Grace du Bosc du Bouchet, offenbar eine Liebesheirat, denn Jeanne war zwar aus ‚guter‘ Familie, aber nicht wohlhabend.
  • 1736/7 Tod der Eltern, die Erbschaft, die er sich mit seinem Bruder M. de Pont de Veyle teilt, reicht nicht für ein arbeitsfreies Leben.
  • 1738 d’Argental lehnt das Angebot, Gouverneur in Santo Domingo zu werden, ab. In den folgenden Jahren baut er seine Stellung am Gericht aus. Als es 1753 zum Konflikt zwischen dem Königshaus dem Parlement kommt, das eine größere Unabhängigkeit erreichen will, steht d’Argental eher auf der Seite der Krone als auf Seiten des stark jansenistisch geprägten Parlaments.
  • 1754 trifft er in Plombières les Bains mit Voltaire zusammen.
  • 1755 reist er nach Rouen, um dort einen Raubdruck der ‚Campagne de 1741‘ von Voltaire zu verhindern.
  • 1759 d’Argental wird Generalbevollmächtigter (eine Art Konsul) der Grafschaft Parma am Pariser Hof.
  • 1762 d’Argental organisiert in Paris im Namen Voltaires die Verteidigung in den Fällen Calas, Sirven und La Barre, wobei ihm gute Beziehungen zum Hofe, besonders zum Kanzler Choiseul, helfen.
  • 1764 Entzweiung mit Richelieu, der zwar ebenfalls Voltaire verbunden ist, aber politisch einer anderen Fraktion nahesteht.
  • 1768 Verkauf des Conseiller-Postens am Parlament.
  • 1770 hat d’Argental nicht genug Geld, um sich an der Sammlung für die Voltairestatue von Pigalle zu beteiligen, er leiht sich sogar 10.000 livres von Voltaire.
  • 1774 Tod von Madame Jeanne d’Argental.
  • 1778 d’Argental ist nach der Ankunft in Paris im Februar bis zu dessen Tod am 30. Mai an der Seite Voltaires.
  • 1788 Am 4.Januar stirbt d’Argental an einer fiebrigen Erkrankung, die ihn innerhalb weniger Tage dahinrafft.

Werk

  • Es wurde behauptet, die Romanbiographie Mémoires du Comte de Comminge sei in Wirklichkeit von d’Argental und nicht von seiner Tante Claudine de Tencin verfasst worden, es scheint aber eher so (auch Voltaire ist dieser Meinung), daß er sich selbst als Autor nicht betätigt hat.

Links/Sekundärliteratur

  • Maija B.May, Comte d’Argental: A magistrate in the literary world, in Studies on Voltaire and the eigtheenth century, Vol. 76, S. 55 – 114, Genf 1970