Engel, griechisch: der Gesandte; man ist kaum klüger, wenn man weiß, dass die Perser ihre Peris hatten, die Hebräer Malakim, die Griechen ihre Daimonoi. Aber was uns vielleicht klüger macht, ist, dass es immer schon eine der ersten Ideen des Menschen gewesen ist, zwischen die Götter und sich selbst Vermittler einzusetzen: das sind jene Dämonen, jene Genien, welche die Antike erfand: der Mensch schuf die Götter immer nach seinem Bilde. Man sah, dass die Fürsten ihre Befehle durch Boten zustellen ließen, also schickten Götter ebenfalls Kuriere: Merkur, Iris waren Kuriere, waren Boten.
Die Hebräer, dieses einzige von Gott selbst geführte Volk, gaben den Engeln, die Gott ihnen schließlich zu schicken geruhte, keine Namen, sie bedienten sich der Namen, die die Chaldäer ihnen gaben, als die jüdische Nation in babylonischer Gefangenschaft war. Michael und Gabriel sind zuerst von Daniel, einem Sklaven dieses Volkes, genannt worden. Der Jude Tobit, der zu Ninive wohnte, wusste vom Engel Rafael, der mit seinem Sohn unterwegs war, um zu helfen, das Geld, das ihm der Jude Gabaël schuldete, einzutreiben. In den jüdischen Gesetzen, das heißt im Levitikus und im Deuteronomium, wird, vor allem bezüglich ihres Gottesdienstes, nicht die geringste Bemerkung über die Existenz von Engeln gemacht, auch die Sadduzäer glaubten nicht an Engel.1
Aber in den Geschichten der Juden ist viel von ihnen die Rede. Diese Engel seien körperlich, hätten Flügel am Rücken, so wie die Heiden vorgaben, dass Merkur welche an den Fersen hatte, mitunter verbargen sie ihre Flügel unter ihren Gewändern. Wie sollten sie auch keine Körper haben, wo sie doch aßen und tranken und die Einwohner Sodoms sündhafte Päderasterie mit den Engeln, die zu Loth kamen, treiben wollten. Nach Ben Maimonides kannte die alte jüdische Tradition zehn Stufen, zehn Ordnungen von Engeln. 1. Chaios Akodesch, Reine, Heilige. 2. Die Ofamin, Schnelle. 3. Die Oralim, die Starken. 4. Die Chasmalim, die Flammen. 5. Die Seraphim, die Funkelnden. 6. Die Malakim, Engel, Boten, Abgesandte. 7. Die Eloim, die Götter oder Richter. 8. Die Ben Eloim, Kinder der Götter. 9. Cherubim, die Spiegelbilder. 10. Ychim, die Beseelten.2
Die Geschichte vom Sturz der Engel findet sich nicht in den Büchern Moses; das erste Zeugnis das darauf Bezug nimmt, ist das des Propheten Jesaja, der, als er den König Babylons beschimpft und ausruft: „Was ist aus dem Tributeintreiber geworden? Die Tannen und die Zedern erfreuen sich seines Sturzes; wie bist du vom Himmel gefallen oh Hellel, du Stern des aufgehendes Tages?“ Man übersetzt dieses Hellel mit dem lateinischem Wort Luzifer und schließlich hat man den Namen Luzifer in allegorischem Sinn den Engelsfürsten gegeben, die im Himmel Krieg führten; und endlich ist dieser Name, der schimmerndes Licht und Morgenröte bedeutet, zum Namen des Teufels geworden.
Die christliche Religion ist auf den Sturz der Engel gebaut. Jene, die sich erhoben, wurden aus den Höhen, die sie bewohnten, herabgestürzt in die Hölle im Inneren der Erde und wurden zu Teufeln. Ein Teufel in Schlangengestalt verführte Eva und führte das Menschengeschlecht in Verdammnis. Jesus kam zur Erlösung des Menschengeschlechts und um den Teufel zu bezwingen, der uns noch immer in Versuchung führt. Jedoch findet sich diese Grundversion nur in dem apokryphen Buch Enoch und auch sie ist sehr verschieden von der gängigen Überlieferung.
Der heilige Augustin hat in seinem einhundertneunten Brief keinerlei Schwierigkeiten, den guten und den bösen Engeln losgelöste und bewegliche Körper zuzuordnen. Papst Gregor II. hat die zehn von den Juden anerkannten Engelchöre auf neun Chöre, neun Stufen oder Ordnungen verringert, es sind die Seraphim, die Cherubim, die Throne, die Herrlichkeiten, die Tugenden, die Mächte, die Erzengel und schließlich die Engel, die den acht weiteren Ebenen ihren Namen geben.3
Die Juden hatten im Tempel zwei Cherubim mit jeweils zwei Köpfen, der eine als Stier, der zweite als Adlerkopf, dazu sechs Flügel. Heute malen wir sie als fliegenden Kopf mit zwei kleinen Flügeln unter den Ohren. Die Engel und die Erzengel malen wir in Gestalt junger Leute mit zwei Flügeln am Rücken. Hinsichtlich der Throne und Herrschaften hat man sich noch nicht unterstanden, sie zu malen. Der heilige Thomas sagt in seiner Disputation CVIII, Artikel 2, die Throne seien ebenso nah bei Gott wie die Cherubim und die Seraphim: sind sie es doch, auf denen Gott sitzt. Scotus hat tausend Millionen Engel gezählt. Die alte Mythologie der guten und bösen Genien, die vom Orient auf Griechenland und Rom überging, lässt uns diese Meinung bestätigen, indem wir jedem Menschen einen guten und einen bösen Engel zuordnen, von denen ihn der eine unterstützt, der andere ihm von der Geburt bis zum Tode schadet; aber man weiß noch nicht, ob die guten und bösen Engel laufend von einem Einsatzort zum anderen wechseln, oder ob sie von neuen Engeln abgelöst werden. Ziehen Sie zu dieser Frage die Summa des heiligen Thomas heran.4 Man weiß nicht genau, wo die Engel sich aufhalten, ob in der Luft, im Leeren oder auf den Sternen. Gott wollte nicht, dass wir davon wissen.
1 – Tobit.., Voltaire bezieht sich auf das apokryphe Buch Tobit; Levitikus (3.Buch Mose) und Deuteronomium (5.Buch Mose) bilden mit den Büchern Moses 1 – 3 den Gesetzeskanon – den Pentateuch – der jüdischen Tora. Die Sadduzäer waren eine Priesterkaste des Judentums, Zeremonienmeister des Tempelkults und waren strikt an den Texten Moses orientiert, sie bestimmten das sakrale Geschehen bis zur Niederschlagung des von ihnen abgelehnten jüdischen Aufstands (70 uZ) durch Rom, in dessen Verlauf der zweite Tempel in Jerusalem zerstört wurde. Die Sadduzäer waren auch gegen die Auferstehung, somit entschiedene Gegner des Christentums.
2 – Eloim.., Quintus Fabius Pictor, römischer Historiker (254 – 201 vuZ), schrieb die Annalen Roms, die wohl auch den bekannten Mythos von der Gründung Roms enthielten.
3 – Gregor II – (669 – 731), Papst, dem wir die Missionierung Deutschlands zu verdanken haben. Die katholische Engelshierarchie war seit Dionysos Aeropagias Schrift ‚Hierarchia coeestis‘ (um 500 uZ) in 3 Stufen mit 3 Unterabteilungen unterteilt: Seraphim, Cherubim, Throne – Herrschaften, Mächte, Kräfte und Fürstentümer, Erzengel, Engel. Noch heute singt man im Vorgebet des Abendmahlsgottesdienstes, der sogenannten Profation: „Darum singen wir mit den Engeln und Erzengeln, den Thronen und Mächten (= Herrschaften), und mit all den Scharen des himmlischen Heeres den Hochgesang von deiner göttlichen Herrlichkeit…“ zur Engelslehre aus kirchlicher Sicht siehe die recht guten Seiten des Pfarrers Dr. Johannes Holdt: http://catholic-church.org/ao/ps/Angeli.html.
4 – heiliger Thomas, Thomas von Aquin (1225-1275), Summa theologica 4.Buch ‚Schöpfung und Engelwelt‘. (abgedruckt in http://www.himmelsboten.de)